In der Böblinger Straße gibt es zahlreiche Stellplätze für Kurzparker – jetzt fragen sich Anwohner und Stadtverwaltung, ob es wirklich so viele sein müssen Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Im Oktober ist das Parkraummanagement in der Stuttgarter Innenstadt um zehn Zonen erweitert worden. Seit acht Wochen leben Pendler und Anwohner in weiteren Teilen der Stadtbezirke Mitte, Süd und Nord mit neuen Regelungen für Parkplätze. Die Zwischenbilanz.

Stuttgart - Der Vormarsch der Parkscheinautomaten und der Gebührenpflicht in der Innenstadt hat Pendler ferngehalten und Bewohnern mehr Chancen auf einen Parkplatz verschafft, glaubt die Stadtverwaltung. Aber es gibt auch Verlierer, seit das Parkraummanagement am 1. Oktober erweitert wurde.

Danach tauchten knapp neben den neuen Parkzonen mehr Autos auf. Beschwerden über Verdrängungseffekte kamen aus der Bopserwaldstraße, der Neuen Weinsteige und dem Mühlrain in Stuttgart-Süd sowie aus dem Bereich Lenzhalde in Stuttgart-Nord. Hier wird man möglicherweise nachjustieren müssen, heißt es. Aber auch innerhalb der einen oder anderen Parkzone.

Kurzzeitparkplätze werden in Frage gestellt

Aus dem Bereich S 3 im Süden – zwischen Marienplatz und Eierstraße – sei „einiges an Beschwerden gekommen“, sagt Birgit Wöhrle vom Ordnungsamt. An der Böblinger Straße habe man relativ viele Kurzzeitparkplätze. Nun überlege man, ob man die wirklich brauche. „Die Notwendigkeit der Kurzzeitparkplätze in den neuen Zonen wird angezweifelt“, sagt Wöhrle. Das liegt auf der Hand, denn tagsüber müssen speziell auf Kurzzeitparkplätzen auch Bewohner mit Ausweis fürs Parken bezahlen.

Im Bezirk M 1 im Heusteig- und Leonhardsviertel haben sich fast schon erwartungsgemäß Probleme eingestellt. Hier ist die Bewohnerzahl so hoch, die Bebauung so dicht, dass es so gut wie kein Rezept gegen den hohen Parkdruck gibt. Auch da stellt sich die Frage nach Verbesserungen.

Ingenieurbüro untersucht Auswirkungen

Generell wartet die Stadtverwaltung aber erst Ergebnisse einer genauen Untersuchung ab. Mitarbeiter eines Ingenieurbüros schauen sich jede Straße und jeden Parkplatz in den neuen Zonen an – jeweils an einem normalen Werktag zu vier unterschiedlichen Tageszeiten. Daraus will man ein Bild gewinnen, wie sich die Belegung der Parkplätze und der Parkdruck verändert haben. Außerdem speisen die Verwaltung und die Bezirksvorsteher eigene Erkenntnisse ein, etwa von der städtischen Verkehrsüberwachung. Bis Ende Januar will man zu einem Urteil kommen, wo es Änderungsbedarf gibt. Wo es nicht funktioniere, sei man zu Verbesserungen bereit, versichert Birgit Wöhrle: „Das ist ein lernendes System.“

Stand heute seien die subjektiven Eindrücke aber recht gut. Aus dem Bezirk N 1 – zwischen Hegelstraße und Eduard-Pfeiffer-Straße, zwischen der Sattlerstraße und der Bahnlinie bei der Ehrenhalde – habe man „null Komma null“ Beschwerden, sagt Wöhrle. Da scheine es zumindest innerhalb der Parkzone gut zu laufen. Tagsüber seien hier jetzt sehr viele Parkplätze frei.

180 Anträge in der Gebührenzone City

Sogar in einer vermeintlichen Problemzone ersten Grades scheinen unerwartet entspannte Verhältnisse zu herrschen: in der Gebührenzone City. Hier gibt es keine Bewohnerparkausweise zum Preis von je 30,70 Euro pro Jahr. Hier kann man für 400 Euro pro Jahr eine Ausnahmegenehmigung erhalten und auch tagsüber überall parken. Oder zum reduzierten Preis mit einer Schnuppererlaubnis für drei Monate. Wegen der 400 Euro war die Kritik groß gewesen, bevor es losging. Von Strafgebühr war die Rede.

Warum man hier 400 Euro bezahlen soll, anderswo nur 30,70 Euro, wird von Betroffenen im Citybereich zwar immer noch gefragt. Das sei aber kein Vergleich zu der Aufregung vor der Neuregelung, sagt Birgit Wöhrle. Die Sache scheine positiv anzukommen. Rund 180 Autohalter hätten eine Ausnahmegenehmigung bekommen. Das sei zwar nicht viel, doch man habe dieses Instrument in erster Linie auch für den Kreis derer geplant, die sich bisher ohne eigene Garage und ohne Parkhausstellplatz durchwursteln mussten – immer mit dem Risiko, Strafzettel zu bekommen.

Ausnahmegenehmigungen kaum noch umstritten

Die Befürchtung, dass manche den teureren Parkhausstellplatz kündigen, habe sich andererseits auch nicht bestätigt. „Das Instrument scheint zu passen“, sagt Wöhrle. Aber noch befinde man sich in allen neuen Zonen in der „Gewöhnungsphase“. Und die Feinarbeit der Nachjustierung sei langwierig. Im Westen, wo das System 2011 eingeführt wurde und viele Proteste auslöste, dauerte sie rund zwei Jahre. Das Geschäft sei eben schwierig. Wöhrle: „Es ist ein Balanceakt zwischen berechtigten Bedürfnissen, die miteinander konkurrieren.“

Der ist hier etwa einfacher als im Stuttgarter Westen. Diesmal geht es um Gebiete mit insgesamt 33 000 Einwohnern, im Westen waren es 45 000. Diesmal seien Gebiete inbegriffen, in denen die Bewohner bereits Kummer mit Vorläufer-Parkregelungen gewöhnt waren, sagt Birgit Wöhrle. Bei der Öffentlichkeitsarbeit habe man auch dazugelernt. Und die Anträge auf Ausweise seien früher eingegangen – vermehrt via Internet.

Bezirksvorsteher recht zufrieden

Das verschafft auch den Bezirksvorstehern Entspannung. Um sie herum weht kein mittlerer Orkan wie früher um ihren Kollegen Reinhard Möhrle (S-West), noch nicht mal ein Sturm. Es gebe Unzufriedene, die Rückmeldungen seien aber eher positiv, sagt Raiko Grieb (S-Süd). Aus dem Wohngebiet Eiernest höre er von Verbesserungen. In der Parkzone S 3 dagegen habe sich das Parkplatzangebot für Anwohner wohl nicht im erhofften Maß verbessert. Die Zone sei vielleicht „zu knapp geschnitten“. Ergänzen könne man sie unter Umständen, wenn zum 1. Juni 2016 weitere sechs Parkzonen kommen – ehe im November 2017 mit sieben Zonen in Stuttgart-Ost und Bad Cannstatt der vorläufige Endpunkt gesetzt wird.

Veronika Kienzle (S-Mitte) ist ähnlich zufrieden. Nach der Neuregelung hätte sie mit reichlich Protesten gerechnet. Bei ihr sei aber noch keine einzige Beschwerde eingegangen, nur eine Anregung.

Bei Stippvisiten kaum Missstände

Beispiel Mühlrain, Stuttgart-Süd. Eine Esslingerin, die jemanden besuchen will, findet freitags um 13 Uhr problemlos einen Parkplatz. Auch wenn die Straße gut zugeparkt ist, finden sich doch alle 50 Meter Lücken.

Beispiel Bopserwaldstraße, Stuttgart-Süd. Vereinzelt stehen hier ein VW aus Esslingen, ein Seat aus Ludwigsburg oder ein Opel aus Tübingen, aber auch hier finden sich um 14 Uhr genügend Parkplätze für alle. „Ich habe zwar am Rande mitgekriegt, dass das Parkraummanagement in der Innenstadt neu geregelt wurde, aber hier spürt man davon eigentlich nichts“, sagt eine Anwohnerin.

Beispiel Lenzhalde, Stuttgart-Nord. Auch hier spielen sich am Freitagmittag keine dramatischen Szenen ab.

Parkdruck neben den Parkzonen ist wechselhaft

Die Stichproben bezeugen nicht, dass es jederzeit genug Parkplätze gibt. Die Situationen sind oft sehr unterschiedlich – je nach Tageszeit. Möglicherweise verteilen sich die Pendler inzwischen doch gleichmäßiger, als manche Anwohner direkt nach der Neuregelung annahmen. Innerhalb von Wochen könne sich viel verändern, meint man im Ordnungsamt. Pendler versuchen inzwischen möglicherweise, andere gut gelegene Ersatzparkplätze zu finden.