Seit 1. März gilt in Stuttgart-West ein neues Parksystem. Quelle: Unbekannt

Keine Parkausweise für Angestellte: Die neue Parkregelung stellt Bäcker vor Probleme. 

Stuttgart - Bäcker müssen früh raus. So früh, dass noch keine Busse und Züge fahren. Die Backbetriebe im Westen, die selbst backen, stellt die neue Parkregelung vor ein Problem, da die Angestellten keinen Parkausweis erhalten. Verkehrsexperte Markus Friedrich schlägt vor, die Parkkosten auf den Brezelpreis aufzuschlagen.

Es geht um die Wurst. Wobei das eigentliche Thema eines ist, das den Schwaben noch viel mehr bewegt als die Fleischware: der Brezelpreis. Der wird in Stuttgart genau beobachtet und diskutiert. Schließlich ist der Preis dieses schwäbischen Grundnahrungsmittels so etwas wie ein Indikator dafür, wie es um die Wirtschaft bestellt ist.

Insofern stieß Professor Markus Friedrich vom Institut für Verkehrswesen der Universität Stuttgart bei der Podiumsdiskussion "Stuttgarter Nachrichten mittendrin" zum Parken im Westen am vergangenen Freitag auf wenig Verständnis. Er hatte vorgeschlagen, Bäcker könnten die Mehrkosten, die durch die Parkkosten im Westen anfallen, doch als Betriebskosten betrachten und auf den Brezelpreis aufschlagen.

Bernt Müller, Chef der Bäckerei Müller an der Kreuzung Schwab-/Bebelstraße, hatte zuvor seine Probleme mit der neuen Parkregelung im Stuttgarter Westen vorgetragen. Drei seiner vier angestellten Bäcker wohnen außerhalb von Stuttgart: Der 23-jährige Daniel Raab kommt aus Asperg, Christian Tschulik (23) aus Allmersbach im Tal und Giuseppe Ilardi (34) aus Sindelfingen. Ihr Dienstbeginn ist um vier Uhr morgens - um diese Zeit fährt noch kein öffentlicher Nahverkehr. "Die drei sind auf das Auto angewiesen", sagt Müller.

Dennoch bekommen die drei Bäcker keine Ausnahmegenehmigung, da jedem Betrieb nur eine solche zusteht. "Sie müssten demnach jeder täglich drei Euro zahlen", sagt Müller. "Ich habe das hochgerechnet, das wären im Jahr 750 Euro für jeden Angestellten, also ein halber Nettomonatslohn."

Verkehrsexperte Markus Friedrich hatte Bernt Müller vorgeschlagen, die 750 Euro für seine Angestellten zu übernehmen. "Der hat scheinbar keine Ahnung, was ein kleiner Gewerbetreibender alles zu stemmen hat", sagt Müller. Der Strom- sowie der Mehlpreis seien erst wieder gestiegen. "Die 2250 Euro im Jahr für die Parkkosten meiner drei Angestellten gingen von meinem Verdienst ab."

Denn es sei erst recht keine Lösung, die Kosten auf den Brezelpreis aufzuschlagen. "Wir sind sonst teurer als die Konkurrenz. Dann wandern mir die Kunden zu den großen Ketten ab, die den Preis halten können - schließlich backen die nicht selbst, sondern lassen die Ware anliefern", erklärt Müller.

Müller fordert mehr Flexibilität von der Stadt

Das bestätigt prompt eine Kundin. Gulalai Karimzad (42) aus Stuttgart-West wäre nicht bereit, mehr als 60 Cent für eine Brezel zu zahlen: "Dann ginge ich eben zu einem anderen Bäcker." Auch eine 51-jährige Kundin aus Botnang findet diese Lösung nicht in Ordnung: "Für solche Sonderfälle muss es Ausnahmegenehmigungen geben, es kann nicht sein, dass jetzt alles teurer wird, schließlich betrifft dieses Problem auch noch andere Branchen." Das bestätigt eine weitere Kundin. Die 53-Jährige ist Ärztin im Olga-Krankenhaus und weiß von den Schwestern und Pflegern, "dass auch sie mit den neuen Parkregeln bei Nacht- und Frühschichten große Probleme haben".

Birgit Wöhrle, beim Ordnungsamt zuständig für das Parken im Westen, betont, dass Markus Friedrich seinen Vorschlag, die Parkkosten auf den Brezelpreis umzuschlagen, "nicht mit der Stadt abgestimmt" habe. "Das war sein eigener kreativer Vorschlag", so Wöhrle. Friedrich habe darauf hinweisen wollen, dass "die Ressourcen endlich sind und wir uns damit anfreunden müssen, dass alles teurer wird."

Richtig sei, dass Müllers drei Bäckern weder ein Anwohnerparkausweis noch eine Ausnahmegenehmigung zustehe - davon bekommt jeder Betrieb nur eine. "Aus dem Parkraummanagement ergeben sich für einige Betriebe Probleme, für andere aber auch Vorteile, etwa für den Maler, der jetzt überall Parkplätze findet", so Wöhrle.

Müller ist nicht grundsätzlich gegen die neue Parkregelung im Stuttgarter Westen, er fordert aber mehr Flexibilität von der Stadt. "Wenn meine Angestellten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen könnten, würde ich ihnen das auch empfehlen", sagt er. "Aber das geht nicht."

Dasselbe Problem haben zumindest drei der vier anderen Bäckereien, die im Stuttgarter Westen noch selbst backen: Harald Dreßler, der die Bäckerei Dreßler in der Ludwigstraße betreibt, Carmen Gaukler, Besitzerin des Cafés Stöckle in der Johannesstraße, sowie Bernd Bosch, Chef der Bäckerei Bosch in der Schwabstraße.

Müller ist also nicht allein mit seinem Problem, er fühlt sich aber von der Stadt alleingelassen: "Wenn ein Großunternehmer sagt, er mache ein Werk zu und entlasse Tausende, dann bekommen die Angst." Dass aber - aufgrund der Politik, die die Stadt fahre - immer mehr kleine Betriebe dichtmachen müssten und dabei auch Tausende ihren Job verlören, interessiere keinen.