So sehen Sieger aus: Paradoniens frisch gewählter Präsident Benjamin Cissé (Mitte) mit seinen Bodyguards. In der Hand hält er – was sonst – den Schlüssel zur Macht. Foto: Rehman

Das Paracelsus-Gymnasium Hohenheim heißt in diesen Tagen nicht Paracelsus-Gymnasium Hohenheim, sondern Paradonien. Die Schüler haben einen bislang unbekannten Staat gegründet – mit allem drum und dran.

Plieningen - Der frisch gewählte Präsident des jungen Staates hat ein einnehmendes Wesen. Sein Anzug steht ihm auch gut, und falls es doch noch irgendeinen Zweifel an der Würde seines Amtes geben sollte, reicht der Blick auf die beiden Leibwächter, um Respekt zu erzeugen. Natürlich, versichert der Staatenlenker, habe er keine Angst vor einem Attentat seiner Bürger. Vielmehr sei die Leibgarde geschaffen worden, um zwei Arbeitslosen zu einem Einkommen zu verhelfen.

Sozial ist sie schon, die Republik, die für einige Tage in den Gängen und Klassenzimmern des Paracelsus-Gymnasiums Hohenheim bestehen soll. „Paradonien“ heißt sie. Ihr Präsident, Benjamin Cissé, wurde von einem Parlament gewählt nach einem Wahlkampf um die Stimmen der Schüler und Lehrer. Dieser wurde in den vergangenen Monaten am Paracelsus-Gymnasium ausgefochten. Im Parlament sitzen nun drei Parteien. Rote, Orangene und Grüne.

Anders als die Bundesrepublik

Das paradonische Parteiensystem unterscheidet sich dabei durchaus von dem der Bundesrepublik. Die Grünen seien die konservativste der drei Parteien, sagt der Präsident. Er selbst gehört zu den Roten, die eher links orientiert seien. Dazwischen stünden die Orangen als Partei der politischen Mitte. Cissés Rote bilden die größte Fraktion. Den Grund schildert Paradoniens Präsident in für Politiker nun wirklich ungewöhnlicher Offenheit. „Wir haben uns nicht wirklich Ziele gesetzt, sondern einen tollen Wahlkampf gemacht. Wir wurden gewählt, weil wir populär waren“, sagt er.

„Paradonien“ ist ein Experiment. Zum ersten Mal gibt es an dem Plieninger Gymnasium das Projekt „Schule als Staat“. Dass dieser Staat eine demokratische Regierungsform hat, kommt wohl nicht von ungefähr. Denn der Impuls, „Schule als Staat“ kurz vor dem Ende des Schuljahrs zu realisieren, entstammt einer Graswurzel-Bewegung. Er ging von den Schülern selbst aus. 15 von ihnen hatten sich im vergangenen Jahr zu einem Organisationsteam zusammengetan. Sie überzeugten Mitschüler und die Lehrer von dem Projekt und initiierten den Wahlkampf, aus dem Benjamin Cissé als Präsident Paradoniens hervorging.

Vom demografischen Eifer erfasst

Der Rest der Schülerschaft wurde offenbar von dem demokratischen Eifer erfasst. Mehr als 60 Unternehmen wurden im Vorfeld des Projekts gegründet. Denn Paradonien ist eine soziale Marktwirtschaft, mit Existenzminimum in Form eines warmen Mittagessens, aber auch mit Betrieben, die etwa Eis verkaufen und dabei Erfolg haben oder Pleite gehen können. Die Schüler nehmen das Geschehen ernst. Der Unmut etwa von Jobsuchenden auf dem paradonischen Arbeitsamt wirkt alles andere als gespielt. Nur der Strafvollzug wird nicht ganz ernst genommen, scheint es. Eine Schülerin, die bei der Polizei arbeitet, berichtet, dass ihr Bruder schon zweimal aus dem Gefängnis ausgebüchst ist. Etwas hilflos wirkt sie da schon, die paradonische Polizistin.