Boris Palmers Facebook-Eintrag und die Debatte um die "Servicewüste" ziehen Kreise. Wirte in Baden-Württemberg sehen kein Problem bei der Service-Qualität Foto: dpa

Die Wirte in Baden-Württemberg wehren sich gegen den Vorwurf, beim Service zu wenig auf der Pfanne zu haben. Der Grünen-Politiker Palmer will jetzt selbst kellnern gehen.

Die Wirte in Baden-Württemberg wehren sich gegen den Vorwurf, beim Service zu wenig auf der Pfanne zu haben. Der Grünen-Politiker Palmer will jetzt selbst kellnern gehen.

Stuttgart - Eigentlich wollte sich der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer nur ein bisschen sportlich betätigen. Mit dem Rad auf der Schwäbischen Alb. Doch es war ein Ausflug mit Folgen. Mit einem Eintrag in dem sozialen Netzwerk Facebook über seine Erfahrungen mit einer Gaststätte des Schwäbischen Albvereins hat der Grünen-Politiker eine bundesweite Debatte ausgelöst, was sich ein Gast rausnehmen darf und wie viel Service ein Wirt bieten muss.

„Ich denke, Boris Palmer hat da etwas falsch verstanden“, sagt Daniel Ohl, Sprecher des baden-württembergischen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. „Vielleicht hat man es ihm auch nicht richtig erklärt.“ Der Politiker hat die Gaststätte unmittelbar vor deren Betriebsferien aufgesucht. „Vor dem Urlaub fällt viel Mehrarbeit an“, sagt Ohl. „Da ist es nicht verwunderlich, dass ein Wirt die Terrasse sperrt, um sich diesen Tätigkeiten zu widmen.“

Palmer war am Freitag durstig bei einer Hütte angekommen und wollte seine Apfelschorle und sein Vesper auf der Terrasse zu sich nehmen. Doch diese war trotz Sonnenscheins geschlossen. Das wollte Palmer nicht akzeptieren. Er und der Wirt gerieten aneinander, und später teilte Palmer seinen Ärger in dem sozialen Netzwerk Facebook mit.

Rein rechtlich ist an der Reaktion des Wirts nichts zu beanstanden, so die baden-württembergische Verbraucherzentrale: „Ein Gastwirt kann von seinem Hausrecht Gebrauch machen und selbst bestimmen, wo er bedient und wo nicht“, sagte Dunja Richter, Juristin bei der Verbraucherzentrale. „Wem das nicht passt, muss sich eine andere Lokalität suchen.“ In diese Kerbe schlägt auch Christopher Lück, Sprecher beim Dehoga-Bundesverband. Er weist allerdings auch darauf hin, dass gerade in der Gastronomie das Prinzip König Kunde besonders ernst genommen werden müsse.

Die Wirte müssten den Ansprüchen der Gäste gerecht werden. „Und diese sind durch die Internationalisierung gewachsen.“ Das beträfe nicht nur zunehmende Erwartungen an die Sprachkenntnisse des Personals, sondern auch Sonderwünsche wie das Glas Wasser zum Espresso, das in südlichen Ländern ganz normal ist.

Zu den neuen Herausforderungen zählen zudem die Neuen Medien – wie das soziale Netzwerk Facebook. Über das Internet lassen sich negative Erfahrungsberichte von Gästen in Windeseile verbreiten. „Das gilt natürlich umso mehr bei prominenten Gästen“, so Lück. Das müsse ein Wirt heutzutage immer im Hinterkopf haben. „Vor diesem Hintergrund ist es natürlich fraglich, ob der betreffende Wirt seinem Betrieb durch diese Aktion einen Gefallen getan hat.“

In Bad Cannstatt kam es vor kurzem zu einem Streit, weil ein Wirt drei Damen vorgeworfen hat, sie würden zu wenig verzehren und zu lange im Lokal sitzen bleiben.

Auch hier käme es auf die Kulanz des Wirtes an, sagt Lück. „Aber grundsätzlich ist es ja wohl einleuchtend, dass ein Lokal in erster Linie nicht zum Sitzen da ist.“ Da der Wirt Hausrecht in seinem Betrieb hat, kann er selbst entscheiden, wen er reinlässt und welche Bereiche im Lokal er den Gästen zugänglich macht und welche nicht.

Auch der Gast hat jedoch Rechte. Wenn ein Gericht lauwarm ist oder angebrannt, kann er Nachbesserung fordern. Sind Speisen schwer verdaulich, kann das den Wirt sogar Schmerzensgeld kosten. Außerdem muss er die sogenannte Verkehrspflicht beachten. Das heißt: Er muss dafür sorgen, dass sich im Lokal niemand verletzt.

Boris Palmer hat nach dem Streit übrigens eingelenkt: Dass die Debatte über die Servicequalität in dem Gasthaus so groß geworden sei, habe er nicht beabsichtigt, sagte er. Nach 50 Kilometern auf dem Fahrrad und einem Schlussanstieg mit 500 Höhenmetern sei er einfach ausgelaugt und durstig gewesen. Per Brief hat er dem Wirt angeboten, einen Nachmittag mit ihm zu kellnern.