„Die Parolen können wir bestätigen“, erklärt die Polizei. Wer sie hochhält, ist unklar. Foto: z

Der Bezirksbeirat will gegen Judenfeindlichkeit bei Demonstrationen für die Recht von Palästinensern vorgehen. Die weist der Veranstalter weit von sich.

S-Mitte - Vom Frauenkopf aus soll der Friede im Nahen Osten befördert werden. Ein unscheinbares Haus, idyllisch gelegen am Waldrand, ist die Zentrale des Palästinakomitees, das in Stuttgart durchaus rege für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung in Israel kämpft. Unter anderem organisiert es Kundgebungen. Bei einer von ihnen werden am 2. Mai, zum alljährlichen Palästina-Nakba-Tag auf dem Schlossplatz, wieder Redner zu hören sein, die beklagen, wie diese Rechte missachtet oder wahlweise niedergeknüppelt werden – was wörtlich zu nehmen ist. Je nach Redner werden die Vorwürfe gegen den Staat Israel durchaus handfest formuliert.

Für Andreas Müllers Geschmack gehen zumindest Randerscheinungen über das hinaus, was durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist. Während des Nakba-Tages im vergangenen Jahr „bin ich zufälligerweise über den Schlossplatz gelaufen und bin erschrocken“, sagt er. „So etwas will ich nicht noch einmal sehen.“

Ein Christdemokrat vermutet Volksverhetzung

Müller sitzt für die Christdemokraten im Bezirksbeirat und verfasste eine Resolution. In der geißelt er „Antisemitismus, egal von welcher Seite“ und fordert Polizei und Staatsanwaltschaft auf, beim nächsten Nakba-Tag „vor Ort zu sein und nach Paragraf 130 StGB die Täter dingfest zu machen“. Der Paragraf beschreibt die Volksverhetzung. Gemessen an der Vorberatung, wird der Bezirksbeirat die Resolution in seiner Sitzung am 20. April verabschieden.

Nakba ist das arabische Wort für Unglück oder Katastrophe. Den Tag ihres Unglücks begehen die Palästinenser jährlich am 15. Mai. An ihm begannen die Israelis die Vertreibung von rund 700 000 Palästinensern. Den Israelis gilt das Datum hingegen als Nationalfeiertag. Am 14. Mai 1948 hat ihr Staat die Unabhängigkeit erreicht. Der Nakba-Tag selbst ist in Israel nicht verboten, wohl aber, Veranstaltungen zu ihm zu unterstützen oder zu bewerben.

Müller hat seiner Resolution Fotos von einer Kundgebung beigelegt, die allerdings nicht vom Nakba-Tag in Stuttgart stammen, sondern von einer Friedensdemo im Juli vergangenen Jahres, die ebenfalls das Palästinakomitee organisiert hatte. Auf den Bildern sind Plakate mit den Aufschriften zu sehen: „Don’t do, what Hitler did to you“ oder „Holocaust in Gaza“, außerdem Karikaturen, die durchaus als judenfeindlich gelten dürfen.

Das sieht auch das Palästinakomitee so. Den Mann, der eine der Karikaturen hochgehalten hat, „haben wir aufgefordert, sie herunterzunehmen“, sagt Manuela Kunkel vom Vorstand. Nachdem er sich weigerte, wurden Polizei und Staatsanwaltschaft verständigt. Letztere habe geurteilt, „das Plakat dürfe man zeigen“, sagt Kunkel, „wir hatten das für rassistisch gehalten, das war Stürmer-ähnlich“.

Der Veranstalter verbietet judenfeindliche Parolen

Zwar hat das Komitee den Bezirksbeirat gebeten, auf die Resolution zu verzichten, im Grundsatz könne sie das Papier aber mitunterschreiben, sagt Kunkel – sofern das Palästinakomitee aus ihm gestrichen würde. „Wir arbeiten mit jüdischen Friedensorganisationen zusammen und verurteilen Antisemitismus strikt“, sagt sie.

Tatsächlich wurde vor Beginn jener Kundgebung ausdrücklich aufgerufen, judenfeindliche Äußerungen zu unterlassen. Immer wieder sind bei Veranstaltungen des Komitees Juden aus Israel als Gastredner eingeladen. Zuletzt analysierten im Sillenbucher Clara-Zetkin-Haus Iris und Yoaf Bar von der jüdisch-arabischen Friedensbewegung den Ausgang der jüngsten Knesset-Wahlen. Sie reisten aus Haifa an.

Die Polizei wird beim Nakba-Tag auf dem Schlossplatz ohnehin vertreten sein und nicht nur in Pflichtstärke. Zu anderen Veranstaltungen zum Thema Palästina waren gelegentlich schon mehr Beamte als Demonstranten gekommen. Die Erkenntnis daraus ist, dass „wir die Parolen bestätigen können“, sagt der Pressesprecher Jens Lauer, „aber wir können natürlich nicht beurteilen, wer in der Menschenmenge zu wem gehört“. Das Palästinakomitee sei durchaus polizeibekannt. Das Urteil aus den Beobachtungen lautet laut Lauer: „Es ist nie negativ aufgefallen.“