Ein Baumwipfelpfad wie dieser im Nationalpark Bayerischer Wald nahe Neuschönau (Niederbayern) soll die neue Touristenattraktion im Schwarzwald werden. Er wird am 26. September auf dem Sommerberg bei Bad Wildbad eröffnet. Foto: dpa

Naturerlebnis mit Nervenkitzel: In Bad Wildbad eröffnet am 26. September auf dem Sommerberg ein Baumwipfelpfad. Schwindelfreiheit wird empfohlen.

Bad Wildbad - Der Wind weht über den Sommerberg. Mit frischen Morgentemperaturen erinnert die Natur daran, dass der Wechsel vom Sommer zum Herbst unwiderruflich vollzogen ist. Oberhalb von Bad Wildbad im Nordschwarzwald wiegen die Spitzen hoch gewachsener Fichten gleichmütig umher. In der Nähe sitzt ein Tannenhäher und krächzt in einer luftigen Baumkrone vor sich hin. Fast zum Greifen nah.

Ein neuer Baumwipfelpfad bringt Besucher auf Augenhöhe mit dem Wald und ihren Bewohnern. Eine Gruppe geladener Vor-Eröffnungs-Besucher lässt sich über den Pfad in luftiger Höhe führen. Bernd Ponzer, ein Waldpädagoge, erklärt Flora und Fauna im Schwarzwald. Aber auch die Erdgeschichte und Geologie kommen zur Sprache. Weil sie dafür sorgen, dass es in und um Bad Wildbad so aussieht, wie es aussieht: Flusstäler, steile Hänge, dichter Wald und auffallend viele Häuser aus rotem Sandstein.

„Backen wir einen Kuchen“, sagt Bernd Ponzer plötzlich mitten auf dem Steg. Einen Kuchen backen in luftiger Höhe? Einen Baumkuchen womöglich? Nicht ganz. Bernd Ponzer kramt einen Glasbehälter aus seiner Tasche hervor. „Ton“, „Schluff“, „Sand“ und „Kies“ steht auf den einzelnen Kammern. „Das sind die Zutaten für unseren Kuchen“, sagt Ponzer. Genauer für den Buntsandstein. Jener rötliche Stein, der der Landschaft zu ihrem Gesicht verholfen hat. Durch Druck und Temperatur entstand aus den einzelnen Zutaten in Jahrmillionen der Sandstein. Überall im Wald liegen kleinere und größere Brocken herum. Forscher haben in der Nähe Fußabdrücke von Dinosauriern gefunden. Aber auch die Ortschaften im Enztal sind von dem roten Gestein geprägt.

Bei guter Sicht kann man sogar die Gipfel der Schweizer Alpen sehen

Der Baumwipfelpfad – übrigens der einzige weit und breit – bietet eine Vielzahl neuer Ausblicke. Der Sommerberg ist mit 730 Metern eine der höheren Erhebungen der Region. Mit dem Turm, dem End- und Höhepunkt des Pfads, werden noch mal 40 Meter obendrauf gepackt. Schwindelfreiheit wird empfohlen. In südlicher Richtung kann man den kompletten Schwarzwald überblicken. Bei sehr guter Fernsicht dürften sogar gelegentlich die Gipfel der Schweizer Alpen ins Blickfeld rücken.

Dreieinhalb Monate wurde geschraubt und gehämmert. Die kelchförmig angeordneten Träger des aufwendig konstruierten Turms wurden in Millimeterarbeit miteinander verspannt. Kein Bauteil ist mit dem anderen identisch. Auf dem gesamten Pfad wurden knapp 1100 Kubikmeter Holz verbaut. Lärche und Douglasie – der hohe Harzanteil beider Holzarten macht eine Behandlung mit umweltschädlichen Schutzanstrichen überflüssig. Dennoch brachte der verregnete August den Zeitplan ins Wanken und machte aus der Arbeit im Wald vorübergehend eine Schlammschlacht.

Apropos: Der Pfad wurde zum Politikum. Nicht jeder Anwohner ist glücklich, dass Bad Wildbad aufstockt. Es gibt Gegner und Befürworter. „Die Leute sollen doch froh sein, dass hier Millionen investiert werden“, sagt ein Anwohner aus der Pro-Fraktion. „Mit Spaziergängern allein kann der Tourismus auf dem Sommerberg nicht überleben.“ 2012 wurde die alte Sommerbergbahn durch eine neue ersetzt. Eine Attraktion, auch wenn die Fahrt nur wenige Minuten dauert. Und eine Notwendigkeit, denn die Parkplätze auf dem Berg sind begrenzt. Parkhäuser im Stadtgebiet entlasten die Situation.

Mit dem Baumwipfelpfad will man verstärkt Familien und Kurzurlauber anlocken

In der Tat hatte Bad Wildbad lange mit einer Überalterung seiner Gästestruktur zu kämpfen. Dank Mountainbikestrecken und Langlaufloipen habe man das Publikum verjüngt. Mit dem Baumwipfelpfad will man jetzt verstärkt Familien und Kurzurlauber anlocken. Zeitgemäß ist das Konzept aus Naturschau und Nervenkitzel. An anderen Standorten erfuhr der Tourismus durch die Baumwipfelpfade eine Stärkung. Kein Wunder, bieten die Installationen doch nicht gerade alltägliche Erlebnisse. Wo etwa können mächtige Tannen mit einer Hand zum Schwingen gebracht werden? Möglich ist das nur auf Baumwipfelniveau. In den kommenden Monaten sollen nach und nach Erlebnisstationen hinzukommen.

Die gesamte Wegstrecke beträgt 1250 Meter. Sie ist barrierefrei und sogar im Winter geöffnet. Die maximale Steigung beträgt sechs Prozent. Ein Zickzackkurs durch den Wald, der sich der Geländebeschaffenheit, aber auch dem Bewuchs anpasst. Nur etwa 15 größere Bäume wurden gefällt.