Würfel aus Stahl und Glas: Die Adler-Lounge bei Matrei. Im Januar reist James-Band-Darsteller Daniel Craig an - für Dreharbeiten. Foto: dpa

Im Januar kommt der smarte Agent 007, alias Daniel Craig, in die Gemeinde Obertilliach in Osttirol - zu Dreharbeiten. Bislang galt der Ort als Geheimtipp für ruhesuchende Winterurlauber.

Sillian - Los geht’s zum Laufsteg! Dem wohl höchsten und längsten Europas. Auf 2407 Metern beginnt er, gleich hinter der Gipfelstation des Thurntaler Sessellifts: ein Felsgrat, gut 200 Meter lang, kaum fünf Meter breit, links und rechts steil abfallende Felswände - Lawinengefahr! Auf diesem Skilauf-Steg posieren keine Thermojacken-Models, es pausieren Seh-Leute. In Superzeitlupe gleiten sie mit ihren Bretteln den Grat entlang, um sich komplett zu berauschen am 360-Grad-Panorama vorm Horizont: Schroffe Dolomiten-Gipfel umgeben das Skigebiet oberhalb des Städtchens Sillian wie die Zacken einer riesigen, unregelmäßig gestalteten Felsenkrone. Viele davon sind Dreitausender.

Insgesamt 214 davon ragen in Osttirol auf, Österreichs höchstgelegener Region. Aber nur hier, über Sillian, zeigen einige Gipfel die Uhrzeit an. Sie heißen der Reihe nach Neuner, Zehner, Elfer, Zwölfer und Einser - weil die Sonne zur vollen Stunde jeweils exakt über ihnen steht. Am Ende des Schnee-Laufstegs rutschen Boarder und Carver in ein Skigebiet, das aus exakt einem Berg besteht, dem Thurntaler. 59 gut präparierte, meist Autobahn-breite Pistenkilometer für Genuss-Carver. Die sportliche Talabfahrt führt geradewegs auf die Burgruine Heinfels zu. Hier wurde - einer Sage zufolge - der Thurntaler Urban verurteilt, ein kauziger Bettler und beinah so eine Art Taliban des 17. Jahrhunderts: Er wollte das Sillianer Tal durch Ablassen eines Sees vernichten.

Der Dorfpfarrer hat’s durch inständiges Beten angeblich verhindert und so den heutigen Wintersport erst möglich gemacht, an ungefluteten Berghängen. 20 Autominuten und zwei Orte entfernt von hier hilft gegen Bösewichte kein Bet-Bruder, sondern nur Bond - James Bond. Im Auftrag Ihrer Majestät und seiner Filmgesellschaft kommt er, alias Daniel Craig, im Januar nach Obertilliach - mit der Lizenz zum Sprengen und Abfackeln eines (eigens gebauten) Hauses. Außerdem soll im Zuge der Dreharbeiten ein Kleinflugzeug am Rand der 700-Seelen-Gemeinde abstürzen. Gegenspieler im 24. Bond-Streifen namens „Spectre“: der österreichische Oscar-Gewinner und Fiesling-Rollen-Experte Christoph Waltz.

„Auf den Spuren von James Bond“

All das mag hier in Osttirol noch niemand so recht bestätigen. Von einer „großen Filmproduktion“ war lange Zeit lediglich die Rede. Doch spätestens als 400 Arbeiter begannen, in Obertilliach einen Skilift abzubauen, Schneisen in den Wald zu schlagen und Felder zu planieren, da mussten die Bewohner des 1500 Meter hoch gelegenen Ortes informiert werden. Seitdem können Obmann Franz Theurl und seine Kollegen beim Tourismusverband ihre Freude über den Film-Coup etwas offener zeigen: Ein „Sechser im Lotto“ sei das, und die Wanderung „Auf den Spuren von James Bond“ habe man schon im Kopf. Schöne Idee.

Nur sollten dafür die Gondelbahnen und Lifte der Region deutlich schneller als im bisherigen „Geduldsspiel-Modus“ laufen. Ja, die Bergbahn-Gesellschaft modernisiert und expandiert, kann aber nicht überall so, wie sie gern möchte, erzählt Geschäftsführer Ulli Walder: „Wir wollten eine Piste runter ins Dorf Innervillgraten bauen - auf der anderen Seite von Sillian, aber die Leute wehrten sich mit Händen und Füßen.“ Ein Skilift - gerade in vielen abgelegenen Alpentälern immer noch euphorisch begrüßt als eine Art Förderband für Bargeld -, hier teilt er das Schicksal des Hundes vor der Metzgerei: „Ich muss leider draußen bleiben“. Doch, doch - Touristen mit Brettern unter Stiefeln sind im Villgratental durchaus schon bekannt und auch willkommen, allerdings nur als Wanderer und Tourengeher. Ja, die Menschen im 700-Seelen-Flecken Innervillgraten sind etwas dickschädelig und hemmungslos rückständig - und das mit voller Absicht. Denn sie verdienen gut daran - auch hier oft bei Filmgesellschaften. Die drehen keinen Bond, sondern Groschenroman-Stoffe wie „Das Tal des Schweigens“.

In solchen Alpensagas müssen Schauspieler wie Christine Neubauer und Sascha Hehn vor absolut Hotelburgen- und Liftmasten-freier Kulisse schmachten und schluchzen. Die ist - mit sonnenverbrannten, dunkelbraunen Berghöfen und schmucker Kirche - kaum noch so unverfälscht zu finden wie in Innervillgraten. Die Filmstoffe schrammen hier manchmal dicht an der Wirklichkeit vorbei, etwa wenn Schmuggler oder Wilderer drin vorkommen. So einer ist hier im Tal vor noch gar nicht langer Zeit hinterrücks erschossen worden. Der Tod eines raubauzigen Holzfällers namens Pius Walder im Jahre 1982 bleibt in seinem Heimatort Kalkstein unvergessen, schon weil der auffällige Grabstein mit Walders Kopf inklusive Einschussloch und anklagender Inschrift daran erinnert.

Ischgl-Halligalli wird es in Osttirol nicht geben

Ein Wallfahrtsort für Touristenbusse. Geld für Grabschmuck kommt sogar aus Neuseeland. Wohl nicht zufällig starten in Kalkstein Gäste-Touren auf Schmugglerspuren und erinnern daran, wie die Einheimischen nach dem Krieg Zucker, Tabak und Nylonstrümpfe aus Italien illegal über die Grenze brachten. Pure Notwehr, denn Osttirol war lange (und ist für viele immer noch) das Hinterstübchen Österreichs - nach dem Ersten Weltkrieg abgetrennt von Südtirol, eingeklemmt zwischen Kärnten und Salzburg, politisch zu Nordtirol gehörend, aber ohne Verbindung dorthin - bis zur Eröffnung des Felbertauerntunnels 1968. „Dadurch sind wir touristisch heute noch 20 Jahre hinterher“, sagt Bergbahn-Chef und Hotelier Ulli Walder mit unglücklichem Dackelblick, den er aber flugs per Wimpernschlag in siegesgewisses Strahlen verwandelt: „Dafür wiederholen wir nicht die Fehler der anderen!“ Ischgl-Halligalli wird es in Osttirol ebenso wenig geben wie Dörfer mit betonierten „Urlauberschließfächern“.

Gäste sollen hier vor allem Ruhe haben. Beschaulichkeit ist daher erste Bürgerpflicht - nach dem Skitag, vor allem aber im Umgang mit der Natur und beim Ausbau von Skigebieten. Das von St. Jakob im engen, wenig sonnenverwöhnten Defereggental am Fuße der Hohen Tauern ist, wie Sillian, klein mit lediglich sieben Liften und geduckten Einkehr-Hütten, die diesen Namen noch verdienen. Erweiterung der Pisten? Derzeit nicht geplant. Ein Tal weiter und doppelt so groß: das Großglockner-Resort, weil die Skigebiete Kals und Matrei zusammengeschlossen wurden. Hier brennen die Oberschenkel nach einem langen Skitag schon mal, vor allem wenn sie die gut elf Kilometer lange Tal- Abfahrt durchstehen mussten, runter nach Matrei.

Das absolute Highlight wartet genau zwischen beiden Orten, dort wo ihre Pisten zusammenstoßen - am Cimacross-Gipfel auf 2600 Meter Höhe: Die Adler-Lounge, ein Riesen-Würfel aus Stahl und Glas, äußerlich eine Kreuzung aus Architektenhaus und Autohaus, drinnen mal coole Hotel-Lounge, mal kühle Kantine. Auf jeden Fall aber der Beweis: Wenn er will, kann der Osttiroler ganz schön übermütig werden. Statt auf einen Geranien-Balkon zu Schlipfkrapfen und Zirbenschnaps lockt er hier über den Abgrund und serviert Wabenhonig-Muffins mit Scotch Whisky auf einer stählernen Hängebrücke namens Adlerhorst. Eigentlich das ideale Nest für 007, um sich mit einem seiner Bond-Girls im Film-Finale zu vergnügen.

Infos zu Osttirol

Anreise
Mit dem Auto ab München über die B 173 Richtung Felbertauern, Kitzbühel, B 161 über den Pass Thurn und Mittersill nach Matrei. Für die Fahrt mit dem Zug muss ab Stuttgart eine Fahrtzeit von ca. 12 Stunden eingeplant werden, www.bahn.de

Unterkunft
Paket Ski-Hit Osttirol - Angebot: 7 Ü/F, HP oder Selbstverpflegung inkl. 6-Tages-Skipass, Preise pro Person: 5-Sterne-Hotel ab 549 Euro, 4-Sterne-Hotel ab 442,50 Euro, Gasthof ab 423 Euro. Infos und Buchung unter: Ski-Hit Osttirol, Schultz-Gruppe/Zentralbüro für Marketing + Verkauf, A-6272 Kaltenbach, www.osttirol-ski.at , www.schultz.at

Wintersport
Osttirol bietet drei schneesichere Skigebiete - Sillian, St. Jakob und das Großglockner Resort. Sie sind nicht über eine Skischaukel verbunden. Im Skigebiet Sillian-Hochpustertal gibt’s 55 Pistenkilometer, (16 davon blaue, 34 rote und 5 schwarze Pisten), die 1100 bis 2400 Meter hoch liegen. Das Skigebiet St. Jakob im Defereggental bietet 52 Pistenkilometer (17 blau, 32 rot, 3 schwarz) auf 1400 bis 2525 Meter Höhe. Das Großglockner Resort rund um die Orte Kals und Matrei ist das größte Skigebiet Osttirols mit 110 Pistenkilometern. 85 Prozent davon sind blau oder rot markiert. Der 6-Tage-Skipass „Ski-Hit Osttirol“ gilt für die genannten Skigebiete sowie in Oberkärnten und kostet 214 Euro pro Person in der Hauptsaison, 198 Euro in der Nebensaison, Kinder zahlen 107 bzw. 99 Euro .

Allgemeine Informationen
Tourismusinfo Osttirol in A-9900 Lienz, Tel. 00 43 /(0) 50 212 212, www.osttirol.at