Christen der Ostkirchen pflegen eigene Rituale. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Viele christlich-orthodoxe Gemeinden leben in der Region ohne wahrgenommen zu werden. Noch bis Sonntag gibt es zahlreiche Veranstaltungen in der Stadt. Eine mit einem ganz besonderen Auftritt.

Stuttgart - Orthodoxe Christen – gehört hat man natürlich schon davon, aber trotz ihrer Zahl von knapp zwei Millionen in Deutschland ist das religiöse Leben der Orthodoxen oft eines im Verborgenen. Christen der sogenannten Ostkirchen leben auch hier in der Region in Gemeinden, von denen die meisten öffentlich oft so gut wie nicht sichtbar sind. Zu diesen Kirchen zählen die orthodoxen Gemeinden, aber auch altorientalische christliche Kirchen wie zum Beispiel der syrischen Aramäer, deren Zahlen durch Flüchtlinge aus den arabischen Krisenregionen zunehmen.

Gemeinden sichtbar machen

Sichtbar sind natürlich lang existierende Gemeinden. So hat zum Beispiel die russisch-orthodoxe Kirche in Stuttgart etwa 2000 Mitglieder, die mit der Nikolaus-Kathedrale im Westen auch das Zentrum für Baden Württemberg stellt. „Dagegen zählt die bulgarisch orthodoxe Gemeinde in Stuttgart nur etwa 100 Mitglieder“ erklärt Vladimir Latinovic, der an der Universität Tübingen Alte Kirchengeschichte lehrt. Diese Vielfalt der religiösen Gemeinden darzustellen ist auch das Ziel der Ostkirchlichen Woche, die noch bis zum Sonntag in Stuttgart mit vielen Veranstaltungen stattfindet. Latinovic ist ebenfalls orthodoxer Christ und Projektleiter der von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart veranstalteten Kulturwoche, die am kommenden Wochenende mit einer zweitägigen Fachtagung mit Vertretern aus ganz Deutschland endet. „Wir wollen die unterschiedlichen Gemeinden sichtbar machen, ihnen Gelegenheit geben sich zu präsentieren“, erklärt Latinovic. Dabei sollen das Leben, die Kultur aber auch die Probleme der Gemeinden transparent werden.

Dabei wird klar, dass das Leben für die Gemeinden nicht so einfach ist. Die Gläubigen müssen sich überwiegend privat organisieren. Viele der Priester in den Gemeinden arbeiten als Ehrenamtliche, sind im Alltag zum Beispiel als Gärtner oder Schmid unterwegs, wie Vladimir Latinovic berichtet. Andere wie Pater Johannes Ghali arbeiten auf spendenfinanzierter Basis. Ghali ist Seelsorger der orthodoxen Kopten in Baden-Württemberg, betreut rund 300 ägyptische Familien, von denen etwa 30 in Stuttgart leben. Dort hat die Gemeinde die Gelegenheit in der katholische Kirche St. Georg ihre Gottesdienste zu feiern. Andere haben es da schwieriger. Latinovic beschreibt, dass zum Beispiel eine Gemeinde an Sonntagen erst um 14 Uhr Zugang zu einer Kirche hat. Das wäre ja nicht besonders schlimm, aber die Tradition gebietet diesen Gläubigen, erst nach dem Gottesdienst etwas zu essen. „Und dann müssen sich eben 100 Menschen so lange bescheiden“, sagt Latoinovic.

Der älteste Chor Serbiens

Über all diese Eigenheiten und auch die Kultur und Traditionen der verschiedenen Gemeinden kann man sich in dieser Woche in der Stadt auf zahlreiche Veranstaltungen informieren. Höhepunkt wird dabei der Auftritt des Ersten Belgrader Gesangsvereins am Donnerstag, 29. Juni um 18 Uhr in der Domkirche St. Eberhard sein. Der älteste Chor Serbiens (gegründet 1853) besteht aus hauptberuflichen Opernsängern und Musiklehrern, ist in seiner Heimat Heimat überaus populär und genießt auch im Bereich der Kirchenmusik weltweit Renommee. Das letzte Mal war der traditionsreiche Chor übrigens vor 118 Jahren in Deutschland zu Gast: Damals für einen Auftritt vor Kaiser Wilhelm dem Zweiten.

Abgeschlossen wird die Ostkirchliche Woche mit der Fachtagung „Schätze des Orients am 1. und 2. Juli im Tagungszentrum der Akademie der Diözese Rottenburg Stuttgart in Hohenheim. „Eine Veranstaltung in dieser Größenordnung hat es in Deutschland zu dem Thema noch nicht gegeben“, freut sich Projektleiter Vladimir Latinovic, der vor allem hofft, dass das Leben der verschiedenen orthodoxen Gemeinden in der Region durch die Woche ein wenig transparenter wird und auch das Verständnis für die Sorgen und Nöte der Orthodoxen wachsen.