Der Regisseur Barry Jenkins freut sich über 3 Oscars für „Moonlight“. Foto: AFP

Afroamerikanisches Kino sei anders als früher, sagt Barry Jenkins, der Regisseur von „Moonlight“, dem Oscar-Gewinner in der Kategorie „Bester Film“. Es könne sehr viel konkreter vom Leben in den schwarzen Vierteln der USA erzählen. Die Macht des weißen Hollywood, sich einzumischen, sei dahin.

Los Angeles - Dramatischer hat wohl noch nie ein Werk den Oscar als bester Spielfilm des Jahres gewonnen: „Moonlight“ von Barry Jenkins bekam die Trophäe erst, nachdem schon „La La Land“ fälschlich als Sieger verkündet worden war. Mit drei Auszeichungen – bester Film, bester Nebendarsteller (für Mahershala Ali), bestes Drehbuch nach einer Vorlage (für Jenkins und Tarell Alvin McCraney) – hat „Moonlight“ nun aber afroamerikanische Kinogeschichte geschrieben, in einem Jahr, in dem die Hautfarbe von Gewinnern besondere Aufmerksamkeit erregte. Der Regisseur Barry Jenkins, 1979 in Miami geboren, erzählt in drei Kapiteln, die 16 Jahre umfassen, von Chiron, der als schwuler Junge in einer taffen Gegend aufwächst. Martin Schwickert hat Barry Jenkins zum Interview getroffen.

Mr. Jenkins, dies ist erst Ihr zweiter Kinofilm. Hat Sie der enorme Erfolg von „Moonlight“ überrollt?
Ich war sehr überrascht. Im ganzen Oscar-Trubel darf man nicht vergessen, dass dies kein konventioneller Film ist. Die Erzählstruktur ist ungewöhnlich. Der visuelle Stil entspricht überhaupt nicht dem, was man von einem sozialrealistischen Film erwartet. Ich hätte nie gedacht, dass „Moonlight“ auf eine solch universelle Weise so gut ankommt. Hätte ich diesen Film gedreht, um einen Oscar zu gewinnen, sähe er ganz anders aus: Mehr Tränen, und am Ende würden sie Händchen halten und in den Sonnenuntergang hineinlaufen.
„Moonlight“ beruht auf einem Theaterstück von Tarell Alvin McCraney. Was hat Sie an diesem Drama fasziniert?
Ich bin in derselben Gegend in Miami aufgewachsen, und Tarrell hat die Stimmung dieses Viertel sehr gut eingefangen. Vor allem die Mutterfigur hat mich sehr an meine eigene Familiengeschichte erinnert. Meine Mutter war ebenfalls drogenabhängig. Darüber hatte ich bis dahin kaum gesprochen. Aber dadurch habe ich sofort erkannt, dass diese Figur sehr wahrhaftig gezeichnet ist.
„Moonlight“ zeichnet sich dadurch aus, dass er mit Figuren, die in einem rauen sozialen Umfeld leben, sehr zärtlich umgeht. Warum haben Sie sich für diese Herangehensweise entschieden?
Meine Mutter hatte ein hartes Leben. Trotzdem hat sie sich immer eine bestimmte Zärtlichkeit bewahrt. Dieselbe Zärtlichkeit wollte ich den Figuren im Film entgegenbringen. Wir haben oft diese Stereotypen im Kopf, wenn eine Figur außerhalb unseres kulturellen Horizontes steht. Ein Freund von mir sagt: „Ein Dealer ist immer nur ein Dealer“. Aber dort, wo ich aufgewachsen bin, sind die Menschen nicht allein die Summe dessen, was sie tun. In unserem Film ist ein Dealer ein Mensch, der mit Drogen handelt.