Gerichte aus anderen Ländern und von fernen Kontinenten bereichern weltweit die Küchen. Wir haben bei Flüchtlingen aus dem arabischen Raum in den Kochtopf geschaut. Ihre Rezepte können experimentierfreudige Köche neu inspirieren.

Stuttgart - Bevor die Vertriebenenwelle das Schwäbische erreichte nach dem Zweiten Weltkrieg, kannte man hier Grillhähnchen nicht. Erst die Gastarbeiterwelle zu Zeiten des Wirtschaftswunders erweiterte den deutschen Speisenkanon um Pasta asciutta, Cevapcici und Souflaki, nahöstlich zubereitete Kichererbsen und nordafrikanischer Couscous sind inzwischen heimisch geworden. Mit den Flüchtlingen aus dem Orient erreichen uns nun arabische Koch- und Essgewohnheiten.

Öl zum Frittieren spielt dort die tragende Rolle, aber auch ein geschmackvoller Langkornreis. Zwiebeln und Tomaten sind die Basis vieler Gerichte, dicke Bündel von glatter Petersilie landen, säuberlich vom Stängel abgezupft, in Salaten, die ansonsten nur mit etwas Salz gewürzt und viel Zitronensaft benetzt werden. Safran, Pinienkerne oder Walnüsse verfeinern süße wie deftige Speisen. Und dass getrocknete Zitronen schwarz und äußerst aromatisierend sein können, lernt man auch von orientalischen Köchinnen.

Im Stuttgarter Osten haben Ehrenamtliche des Flüchtlingsfreundeskreises rund um Christina Braml Initiative ergriffen: Als sie sahen, dass nur die Männer und Kinder die Asylunterkunft in der Turnhalle Schönbühlstraße mal zum Spielen oder Spazierengehen verlassen, nicht aber die Frauen, versuchten sie gegenzusteuern. Das Kinder- und Familienzentrum im ehemaligen SSB-Depot an der Landhausstraße stellte seine Küche zur Verfügung – und fertig war der Rahmen für einen Kochnachmittag.

Inzwischen kommen nicht vier, sondern zehn Frauen

Seit fünf Wochen kommen nun Frauen aus dem gegenüber liegenden Asylheim und können dort das tun, was zu Hause oft ihren Tag bestimmt hat: Kochen. Aus zwei wurden drei, aus drei schließlich zehn Teilnehmerinnen, die zusammen einkaufen gehen, schnippeln, wickeln und schließlich riesige Töpfe mit duftendem Gemüse, Fleisch und Reis auf den Tisch bringen. Damit sich die arabisch sprechenden Frauen mit den deutsch sprechenden schon bei der Planung verstehen, kommt Mina Bakir als Übersetzerin hinzu. Mina ist aus Marokko, versteht arabische Dialekte, kann aber auch das Hocharabische. Auch Fatima-Zahra Bakir, Aziza Mouttaki und Amina Harr sind beim Übersetzen behilflich.

Über ihre Kinder und über das Essen reden alle Flüchtlingsfrauen gern. Über das, was sie im Krieg erlebt haben, lieber nicht. Aber beim Kochen scheinen sie das Belastende vergessen zu können. Und sie sind stolz, wenn sie für ihre Kinder auftischen können. Was die Kochtruppe nicht selbst isst, wandert in Tupperschüsseln zu 1,50 Euro pro Portion. Damit überraschen die Frauen ihre Männer, denn die haben in der Küche nichts zu suchen.

Safranreis wie aus dem Orient

Saudische Kaapsa

Fadia Alwsak (30) hat in einem Dorf in Syrien gelebt, das sieben Stunden von Damaskus entfernt liegt. Sie und ihr Mann sind Friseure, doch bevor Fadia Mutter wurde – heute hat sie vier Kinder – hat sie in Saudi Arabien gearbeitet. Von dort brachte sie das Gericht Kaapsa mit. Bei der Zubereitung hilft ihr Butnaina Alsidawi (30) aus Damaskus, verheiratet mit einem Lehrer und Mutter von fünf Kindern (nicht im Bild).

Zubereitung Drei Kilogramm Hähnchenunterschenkel werden mit Wasser bedeckt. Ein bis zwei geschälte Zwiebeln kommen  dazu, alles zum Kochen bringen,rund 15 Minuten köcheln lassen, das Fleisch aus dem Sud nehmen und beiseite stellen. Fünf Tomaten, fünf Zwiebeln und drei Peperoni würfeln und in einem großen Topf schmoren. Zum Schluss zwei Zimtstangen sowie jeweils einen Esslöffel Safran, Currypulver und rotes Paprikapulver mitrösten. Jetzt mit der Brühe, in der die Hähnchen gekocht wurden, ablöschen, vier Würfel Fleischbrühe und fünf getrocknete Zitronen dazugeben, aufkochen, fünf Kilogramm Reis zugeben und bissfest kochen. Anschließend mehrmals durchrühren, damit er nicht wässrig wird. Getrocknete Zitronen und Zimtstangen entfernen. Zum Schluss werden die Hähnchenteile in reichlich Sonnenblumenöl frittiert, bis sie eine knusprig-braune Farbe angenommen haben. Reis auf Platten anrichten, Hähnchen auf dem Reis drapieren und mit 200 Gramm in Fett gerösteten Pinienkernen bestreuen.

Gefüllte Weinblätter

Houda Alhiraki (25) ist mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern, dreieinhalb und eineinhalb Jahre alt, aus Damaskus gekommen. Ihren Alltag hat sie bisher inmitten einer großen Familie verbracht, bei der die Frauen alle mitgeholfen haben, wenn es gefüllte Weinblätter gab.

Zubereitung:

Für diese Filigranarbeit und bei einer Menge von 1,5 Kilogramm Blättern wird tatsächlich jede Hand gebraucht. Die Weinblätter (aus der Dose, in Salzlake) werden einige Stunden lauwarm gewässert und dann einzeln auf einem Holzbrett glatt ausgestrichen. Aus 1,5 Kilogramm rohem Langkornreis, mindestens 10 Zehen gehacktem Knoblauch und rund 500 Gramm Rinderhackfleisch, gewürzt mit Salz und Pfeffer, wird eine homogene Masse geknetet. Am unteren Ende jeden Weinblatts setzt Houda einen schmalen Streifen Füllung, rollt sie in das untere Ende des Blattes ein, schlägt die Seiten ein und rollt das Blatt mit der flachen Hand zu einem filigranen Röhrchen. Die Röllchen werden in einen Schnellkochtopf geschichtet, mit etwa 10 ganzen Knoblauchzehen bestreut, mit der Brühe, in dem die Blätter gewässert wurden, übergossen und mindestens 30 Minuten im Dampf gekocht. Wenn sie gar sind, müssen sie etwas abkühlen, bevor man die Finger mit Zitronensaft benetzt und die gefüllten Weinblätter einzeln auf einer Platte anrichtet. Zum Schluss mit Zitronensaft beträufeln und Zitronenscheiben belegen.

Kadaif mit Walnüssen

Die Schwestern Samira (30) und Walbona (24) stammen aus Albanien, die ältere ist bereits Mutter einer elfjährigen Tochter. Samira hat ihre Arbeit im Krankenhaus verloren, Walbona hat noch keinen Beruf.

Zubereitung

Beim Kochtreff bereiten beide eine Art Rindergulasch zu, das zusammen mit in Öl gebackenen Auberginen, Zucchini und Peperoni gegessen wird. Zum Menü aber tragen sie vor allem den Nachtisch bei, der türkischem Baklava ähnelt. Der Teig aus Eiern, Mehl, Salz und Zucker – den es fertig zu kaufen gibt – wird mit Kadaif, den im Orient beliebten Teigfäden, kombiniert. Samira zerrupft auf einem Kuchenblech zunächst eine Packung Kadaif, beträufelt die Teigfäden mit Butter und backt sie im Ofen goldbraun. Währenddessen wellt sie den Teig hauchdünn aus und schneidet ihn in ca. 10 x 20 Zentimeter große Rechtecke. Diese beträufelt sie mit Öl, bestreut sie mit gehackten Walnüssen und den goldbraunen Teigfäden. Danach rollt sie die Rechtecke zusammen und setzt sie dicht an dicht auf ein gefettetes Blech. Das kommt für 20 bis 30 Minuten in den Backofen. Währenddessen kocht sie einen Liter Wasser und 800 Gramm Zucker zu einem dickflüssigen Sirup, der, leicht abgekühlt, auf die Teigrollen gegossen wird. Der Nachtisch muss dann gut durchziehen.