Inzwischen breitet sich die organisierte Kriminalität auch in der italienischen Hauptstadt Rom krakenartig aus. Selbst hochrangige Politiker sind verwickelt. Foto: dpa

Die organisierte Kriminalität breitet sich in Rom aus. Hochrangige Politiker sind verwickelt.

Rom - Die Mafia in Rom? "Die gibt's doch nur im Süden", betonte Regierungschef Silvio Berlusconi noch vor einigen Jahren. Doch inzwischen breitet sich die organisierte Kriminalität auch in der italienischen Hauptstadt krakenartig aus. Selbst hochrangige Politiker sind verwickelt.

"Nein, nein, wir zahlen nicht", sagt der Mann sichtlich aufgeregt und schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Und das während der regulären Öffnungszeit des kleinen Lebensmittelladens im römischen Stadtrandviertel Tor Bella Monaca. In dem Viertel müssen immer mehr Einzelhändler "pizzo" zahlen. So nennt man im Mafiajargon Schutzgeld. Geld, das Geschäftsleute entrichten müssen, wenn sie in Ruhe gelassen werden wollen. Wer den "pizzo" nicht zahlt, muss mit eingestochenen Autoreifen, anonymen Briefen oder Schlimmerem rechnen.

"Aber auch in anderen Stadtrandvierteln der Hauptstadt müssen immer mehr Leute Schutzgelder bezahlen", weiß Giuseppe Pisanu. Der Präsident der parlamentarischen Anti-Mafia-Kommission kennt sich aus. "Im letzten Jahr konnte unsere Polizei in Rom 272 Fällen von Geldwäsche auf die Spur kommen", so Pisanu. "Ganz zu schweigen von den 31 Mordfällen seit Anfang des Jahres, die mit dem Kampf der Clans um die Vorherrschaft in bestimmten Vierteln erklärt werden müssen."

Im vergangenen Jahr waren es 29 Fälle. In diesem Jahr, fügt der Fachmann hinzu, "konnten in Rom 1205 Immobilien von Mafiosi beschlagnahmt werden". Im Wert von rund 700 Millionen Euro.

5000 Geschäfte sollen den Bossen bereits gehören

Die Mafia in Rom, das ist ein Thema, das lange verschwiegen wurde. "Nein, so etwas gibt es hier nicht", sagt vor einigen Jahren Regierungschef Silvio Berlusconi. Mafia gebe es doch nur in Süditalien, meinte der Medienzar. Weit gefehlt. Die organisierte Kriminalität, die in den letzten Jahren vor allem in Mailand Fuß fassen konnte, vor allem die kalabresische 'Ndrangheta, "hat mehr als nur ein Auge auf Rom geworfen", sagt Roms oberster Polizeichef Giuseppe Pecoraro. "Wir vermuten, dass rund 5000 Geschäfte, darunter auch Restaurants und Kaffeebars, den Bossen gehören."

Wie zum Beispiel eine Kaffeebar schräg gegenüber dem Palazzo Chigi, dem Amtssitz des italienischen Regierungschefs. In der Kaffeebar sollen Mafiosi aus Kalabrien ein- und ausgegangen sein. Bis die Polizei nach abgehörten Telefongesprächen und mit Hilfe eingebauter Wanzen so viele Beweise zusammenhatte, um die "Mafia-Bar", so die Tageszeitung "La Repubblica", zu schließen. Noch, so die Experten, könne man Rom nicht mit Neapel über einen Kamm scheren. "Noch sind die Einflusszonen nicht klar abgesteckt", erklärt Giuseppe Pecoraro.

Geldwäsche ist ein großes Thema

 Geldwäsche ist ein großes Thema

In vielen Stadtrandvierteln bekämpfen sich Banden und Clans. Es geht um den Handel mit Drogen und um das große Business mit Schutzgeldern. Vor allem aber versuchen süditalienische Clans, die die Taschen dank des Handels mit Kokain voller Geld haben, zu investieren. Geldwäsche ist ein ganz großes Thema. In Rom werden Hotels und Mehrfamilienhäuser, vor allem im teuren historischen Zentrum, massenweise aufgekauft. Schaut man genau hin, verstecken sich hinter vielen Investoren Gesellschaften aus Kalabrien, Sizilien und dem Großraum Neapel.

In zahllosen Fällen versucht die Polizei herauszufinden, wer sich tatsächlich hinter diesen Investoren verbirgt. Beunruhigend ist auch die von der Polizei vermutete Zusammenarbeit mit der chinesischen Mafia. Sie ist im Viertel Esquilino beim Hauptbahnhof präsent. Ein Viertel, in dem die meisten Geschäfte von Chinesen betrieben werden und aus dem immer mehr italienischsprachige Römer wegziehen.

"Da regieren die chinesischen Bosse, die alles in der Hand haben", so ein chinesischer Kaffeebarbesitzer, der namentlich nicht genannt werden will. "Die sind die einzigen Herren hier - und wir alle müssen zahlen". Die Anti-Mafia-Polizei will herausgefunden haben, dass die chinesischen Bosse mit ihren italienischen Kollegen aus dem Süden beim Handel mit Drogen und mit gefälschten Markenwaren zusammenarbeiten.

Schwere Vorwürfe gegen die Politik 

Was bedeutet das alles für Rom, fragen sich immer mehr besorgte Bürger, die inzwischen fast täglich in den Zeitungen von der Gegenwart der Mafia lesen. "Das bedeutet, dass unsere Politiker und die Ordnungskräfte nicht rechtzeitig gegen dieses Phänomen vorgegangen sind", klagt Mafiaexperte und Journalist Roberto Saviano, der mit seinen Büchern über die Mafia auch in Deutschland ein Begriff ist. "Man ließ die Bosse einfach machen, und jetzt bekommt man sie nicht mehr in den Griff." Hinzu komme, dass "bestimmte Politiker offensichtlich nicht daran interessiert sind, die Mafia zu bekämpfen".

Darunter auch Regierungspolitiker wie der amtierende Landwirtschaftsminister Saverio Romano. Ihm wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, mit Bossen aus Sizilien unter einer Decke zu stecken. Ein ungeheurer Vorwurf, der aber nicht zum Rücktritt führte. Eine Mehrheit des von Berlusconis Koalition geführten Parlaments sprach sich dagegen aus, dass sich der Minister wegen dieser Vorwürfe vor Gericht verantworten muss.