Wenn die Waage zu viele Kilos anzeigt, haben die meisten Betroffenen auch mit Krankheiten wie Diabetes zu kämpfen Foto: dpa

In nur sieben Jahren ist die Zahl der stark übergewichtigen Patienten aus Stuttgart, die meist wegen Magenoperationen im Krankenhaus landen, um ein Fünftel gestiegen.

Stuttgart - Die Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff fiel Erwin W. (Name von der Redaktion geändert) am Ende leicht. Aus eigener Kraft schaffte er es nicht mehr, sein Gewicht von 160 Kilo zu reduzieren. Heute – drei Jahre nach der Verkleinerung seines Magenvolumens – wiegt er nur noch 67 Kilo. „Ein unkomplizierter Eingriff hat mir zurück ins aktive Leben geholfen“, sagt der 56-Jährige voller Begeisterung. Doch der Weg dorthin war auch nach dem Eingriff steinig. Weitere Operationen waren nötig sowie eine Ernährungsumstellung und ein Fitnessprogramm, das er eisern einhalten muss.

Den Schritt in den Operationssaal machen immer mehr Patienten, die an Adipositas – wie die krankhafte Fettleibigkeit genannt wird – leiden. Im Jahr 2012 wurden 69 Patienten wegen ihres Übergewichtes im Krankenhaus stationär behandelt. 2005 waren es dagegen nur 58 Patienten, wie aktuelle Daten der Krankenkasse DAK-Gesundheit belegen. Schaut man auf die Zahlen von Baden-Württemberg, wird der Anstieg noch deutlicher: Landeten im Jahr 2005 noch 605 Adipositas-Patienten im Krankenhaus, waren es 2012 schon 1407. Einen starken Einfluss auf  diesen Anstieg hat laut DAK die Adipositas-Chirurgie als Therapieform.

„Mit der Operation allein ist es nicht getan“, warnt der Stuttgarter DAK-Chef Tobias Tschinkel vor überzogenen Erwartungen. Eine Operation solle „grundsätzlich erst dann in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Therapiemethoden wie beispielsweise eine Ernährungsumstellung und Sport ausgeschöpft sind“. Auch die Operation sei nur dann erfolgreich, wenn der Patient sein Verhalten langfristig umstelle.

Die meisten Adipositas-Patienten, die in den Krankenhäusern aufgenommen werden, unterziehen sich einer Magenoperation. Dabei wird meist entweder ein sogenannter Schlauchmagen – also eine Magenverkleinerung – oder ein Magen-Bypass – bei dem der Magenausgang verlegt und an den Dünndarm angeschlossen wird – vorgenommen. Nach aktuellen Daten der DAK kommen so fast zwei Drittel aller Klinikaufenthalte von Übergewichtigen zustande. Der Rest muss wegen des sogenannten Schlafapnoe-Syndroms, bei dem es zu Atemstillständen während des Schlafs kommt, oder wegen verschiedener Stoffwechselkrankheiten stationär behandelt werden. Gründe für den Anstieg der Klinikaufenthalte liegen laut der Krankenkasse zum einen darin, dass es immer mehr übergewichtige Patienten gibt, aber auch darin, dass die Adipositas-Chirurgie als Therapieform in immer mehr Krankenhäusern angewandt wird.

In Stuttgart bieten vier Krankenhäuser chirurgische Eingriffe wie Magenband, Magen-Bypass oder Schlauchmagen an. Im Adipositas-Zentrum im Cannstatter Krankenhaus wird zudem mit dem sogenannten Endobarrier eine neue Methode praktiziert, die sich für Menschen mit starkem Übergewicht und Diabetes eignet. Dabei wird ein Teflonschlauch in den oberen Teil des Dünndarms eingesetzt, der verhindert, dass ein Teil der Nahrung vom Körper verwertet wird. „Im Moment darf der Endobarrier maximal zwölf Monate eingesetzt bleiben“, sagt Dr. Tobias Meile, Leiter des Adipositas-Zentrums. Damit ist der Teflonschlauch auch für Patienten interessant, die vor einem dauerhaften Eingriff wie dem Schlauchmagen zurückschrecken. „Auch als Überbrückung vor einer Magenoperation können Patienten mit dem Endobarrier abnehmen, um ihr Operationsrisiko zu verringern“, sagt Meile. Im Laufe eines Jahres sollen Patienten durch die Endobarrier-Methode 20 Prozent ihres Gewichtes verlieren und ihre Blutzuckerwerte verbessern, wie Studien aus den USA und Großbritannien belegen. Für das Verfahren kommen laut Meile vor allem Patienten mit einem Body-Mass-Index (Körpergewicht in Relation zur Körpergröße) über 30 und mit Diabetes als Begleiterkrankung infrage. Denn bisher finanzieren die Krankenkassen die Behandlung mit dem Endobarrier nur bei Diabetes-Patienten. Andernfalls muss der Eingriff bei den Kostenträgern beantragt und bewilligt werden.

Auch Magen-Operationen übernehmen die Kassen nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, beispielsweise wenn die Begleiterkrankungen des Patienten besonders schwer sind oder wenn er psychisch nicht in der Lage ist, den Lebensstil zu ändern. Im Adipositas-Zentrum in Bad Cannstatt wird bei jedem Patient individuell geprüft, ob eine Operation infrage kommt oder sich konservative Methoden anbieten. „Ich hatte einen Patienten, der mit 180 Kilo noch Squash spielte“, sagt Meile. Am Gewicht allein lasse sich nicht festmachen, ob eine Operation nötig sei. Doch unabhängig davon, für welchen Weg sich der Patient entscheidet, bleibt Adipositas eine chronische Krankheit, gegen die er lebenslang kämpft.