Aufmerksamer Beobachter: Der Trainer Andreas Stäbler (rechts) zeigt an, ob Frank Stäbler (weiß, mit Trainingspartner Andre Ehrmann) richtig zupackt. Foto: Baumann

Viele Wege führen nach Rio – selten werden sie allein beschritten. In unserer Serie stellen wir die unterschiedlichsten Sportler-Trainer-Konstellationen vor. In unserer dritten Folge hört Ringer Frank Stäbler auf Coach Andreas Stäbler – mit dem er nicht verwandt ist.

Leinfelden-Echterdingen - Bei den Stäblers geht es rustikal zu. Zum Gespräch bitten sie in die winzige Musberger Ringerhalle. Etwa zehn Athleten spielen Völkerball, das heißt, die Jungs in der Mitte werden mit beherzten Würfen abgeschossen. Der Duft der schweißtreibenden Trainingsarbeit beherrscht bei geschlossenen Fenstern das Raumklima. In einer Ecke der Halle stehen Kraftsportgeräte. Die Stäblers setzen sich auf Turnkästen. Und los geht’s - die entscheidende Frage wird zuerst geklärt.

Der Ringer Frank Stäbler (27) und sein Trainer Andreas Stäbler (48) sind weder verwandt noch verschwägert. Hier trainiert nicht der Vater den Sohn, wie die Leute immer glauben. Es ist auch nicht der große Bruder, der den kleinen betreut, und ein Onkel-Neffe-Verhältnis besteht auch nicht – obwohl die Stäblers aus Musberg denselben Nachnamen tragen. Andreas Stäbler, der Trainer, hat in dieser Frage schon viel Zeit in Stammbaumforschung investiert. „Ich habe das bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt, und der Frank war dann auch ganz erleichtert, dass wir nicht miteinander verwandt sind“, sagt er. Frank Stäbler, der Ringer, kichert, als er das hört.

Das Stäbler-Duo vertraut seit zwölf Jahren einander

Fünf oder sechs Stäbler-Sippen gebe es in Musberg und Leinfelden-Echterdingen. Kein Wunder, dass der Name dort so inflationär vorkommt. Trotzdem ist von einem engen Verhältnis zwischen den Athlet und Trainer zu sprechen. Die Ringer-Trainer-Konstellation bei den Stäblers muss als gewachsene Struktur bezeichnet werden. Jeder kennt jeden. Jeder weiß vom anderen alles. Seit zwölf Jahren trainiert der ältere Stäbler den jüngeren. Frank war 15 Jahre alt, als es anfing.

Im Prinzip geht das Verhältnis zwischen den beiden längst über eine verwandtschaftliche Beziehung hinaus. „Andi ist mein Vorbild, mein Mentor, mein Freund – alles in einer Person“, sagt Frank Stäbler. Es gebe wenige Menschen, die ihn so gut kennen würden. Sie haben auch keine Geheimnisse voreinander, stimmen die Trainingspläne miteinander ab – und zischen am Abend ein Bier. „Wir sind ein Dream-Team“, sagt Frank Stäbler. Und der Trainer, er nickt.

Reif für eine Olympia-Medaille

Das wunderbare Stäbler-Duo aus Musberg tritt die Reise zu den Olympischen Spielen nach Rio nicht an, um dabei zu sein und sich einen schönen Lenz zu machen. Frank Stäbler zählt zu den großen Medaillen-Hoffnungen der deutschen Mannschaft. 2012 wurde er Europameister und 2015 Weltmeister im Leichtgewicht der Kategorie griechisch-römischer Stil. Peu a peu hat der Trainer Stäbler den Ringer Stäbler an die Weltspitze geführt. Bei den Spielen in London 2012 unterlag Frank im Kampf um die Bronzemedaille dem Georgier Manuchar Tschadaia nur knapp nach Punkten, weil er mit dessen defensivem Ringstil überhaupt nicht zurechtkam. Also wurde er am Ende nur Fünfter. Ärgerlich war das.

Jetzt aber sind die Stäblers reif für eine Olympia-Medaille. Glaubt die Branche – und hoffen sie selbst. Ob es Gold wird? „Das große Ziel ist es, das Finale zu erreichen, aber wir wissen beide, dass alles passieren kann“, sagt Andreas Stäbler. „Ich liebe immer den Optimismus vom Andi, deshalb hält er mich auch am Leben“, meint derweil der Ringer Frank Stäbler, der das Wort Medaille nicht so gern in den Mund nimmt. Er möchte aller Welt nur zeigen, was er kann. Und was dann dabei herausspringt – man werde es schon sehen. Nur eines will er nicht: Mit fliegenden Fahnen untergehen. „Wenn ich versage, gibt es keine Party“, sagt er mit festem Blick. Und der Coach? Er lächelt.

Trainingsplan wird genau besprochen

Eine Olympia-Medaille würde alles abrunden. Darüber sind sie sich einig. Im Verlauf der Jahre ist Frank Stäbler erwachsener geworden, das hat sich auf das Verhältnis zwischen Coach und Ringer ausgewirkt. „Als er noch jünger war und unerfahrener, wurde jeder Trainingsplan abgenickt“, sagt Andreas Stäbler. Inzwischen diskutieren sie lange darüber, was das Richtige ist. Doch je länger die Debatte dauert, kommt irgendwann der Punkt, an dem der Trainer Stäbler dann doch das letzte Wort hat. „Es gibt Phasen, in denen ich mich durchsetzen muss. Und es gibt auch welche, in denen sich Frank durchsetzen darf.“

Einigkeit herrscht in der Frage, wann nach Rio gereist wird. Erst drei Tage vor dem Wettkampf am 16. August in der Klasse bis 66 Kilogramm geht es los. „Das hat damit zu tun, dass ich noch abnehmen muss. Und das Hauptgewicht will ich in meinem gewohnten Umfeld verlieren“, sagt Frank Stäbler – und Andreas Stäbler pflichtet ihm nickend bei. Sie sind sich einig. Mal wieder. In Rio würde der Ringer Stäbler womöglich im Hinblick auf die brasilianische Küche schwach werden. Und das wollen sie beide nicht. Richtig zugeschlagen wird dann erst beim Empfang in Musberg. Ob Gold, Silber, Bronze oder Platz vier – ganz egal. Im Flecken sind sie auch so schon mächtig stolz auf die Stäblers. Und werden bei der Rückkehr wohl ordentlich auftischen.