Silvia Neid kann sich auch eine Aufgabe im Männerfußball vorstellen. Foto: dpa

Mit Silvia Neid und Horst Hrubesch verliert Deutschland zwei Urgesteine, die sich bei Olympia mit zwei schönen Erfolgen von der Trainerbank verabschieden. Nach 34 Jahren veredelt Neid ihre Karriere mit der Goldmedaille.

Rio de Janeiro - In den Katakomben des Fußballtempels Maracanã kam Hort Hrubesch nicht durch. Drei brasilianische Nachwuchskicker waren gerade dabei, eine Show abzuziehen. Mit Gettoblaster und umgedrehten Schirmmützen veranstalteten sie vor Reportern aus ihrer Heimat mit viel Musik und Gebrüll eine kleine Party. Es war ihre Art, Interviews zu geben. Hrubesch beobachtete das ausgelassene Szenario. Er lächelte dabei väterlich milde. Den Spaß, den hatten sich diese Jungs ja auch verdient.

Es waren nicht seine Spieler, sondern die Golden-Boys, die das brasilianische Volk gegen Ende dieser Olympischen Spiele noch einmal glücklich machten. Erst 1:1, dann Verlängerung, später das Elfmeterschießen, an dessen Ende der Barcelona-Wirbler Neymar den letzten, entscheidenden Ball ins Tor hämmerte – besser hätte das Sportspektakel „Rio 2016“ für Brasilien nicht enden können. Dieser Sieg gegen Deutschland war eine Revanche für das demütigende 1:7 bei der WM vor zwei Jahren. So gesehen musste die jugendliche DFB-Elf von Hrubesch jetzt die Suppe auslöffeln, die ihnen Mario Götze mit seinem Siegtreffer eingebrockt hatte.

Platz zwei wirft einen wie Horst Hrubesch nicht um

Doch die deutsche Mannschaft machte es sehr gut. Sie hatte die Prüfung bestanden, vor 75 000 euphorischen Brasilianern im Stadion nicht einzuknicken. „Wir wussten, dass wir sie nicht zerlegen können, aber wir wussten auch, dass sie uns nicht zerlegen werden“, sagte Hrubesch, der sei letztes Länderspiel als Trainer absolvierte und viel zu lange im Geschäft war, als dass ihn diese Silbermedaille hätte umwerfen können.

„Ob Brasilien oder wir, es ist wirklich nicht wichtig, wer gewonnen hat, es ist nur wichtig, dass der Fußball gewonnen hat“, sprach der ehemalige Sturmtank des Hamburger SV. Er meinte damit auch, dass es ein Verdienst des deutschen Teams war, diese von den Brasilianern ersehnte Finalkonstellation erst möglich zu machen – „nach drei tollen Wochen“. Und damit natürlich auch die Chance für die Revanche.

Die Partie war fesselnd. Es ging munter hin und her. Die Deutschen knallten den Ball an Latte, die Brasilianer machten viel Druck, weil sie wussten, was im Maracanã von ihnen erwartet wurde. Dann kam das Elfmeterschießen. Die jungen Fußballer, die allesamt gestandene und gut verdienende Profis sind, knallten den Torhütern die Bälle nur so um die Ohren. Doch einen erwischte es. Den Freiburger Stürmer Nils Petersen. Seinen halbherzig geschossenen Elfmeter hätte der Torwart Weverton zur Not auch mit der Mütze herausgefischt. Dann kam Neymar, und mit ihm das Gold.

Diesmal zieht Nils Petersen den Schwarzen Peter

Den Verlierer im Lotteriespiel hatten Hrubesch, all die anderen Betreuer und auch die DFB-Funktionäre in der Kabine wieder aufgerichtet. „Im Elfmeterschießen gibt es immer einen Doofen, und der war heute ich“, erklärte Petersen, er sei jetzt auch „traurig“ und „enttäuscht“. „Ich habe ihm gesagt: mach dir keine Gedanken, es ist halt so“, sprach Hrubesch. Dann kramte der Trainer augenzwinkernd eine kleine Geschichte aus der Historie hervor: „Gut, ich habe ihn 1982 gegen Frankreich reingemacht.“

Das Silber für die tapferen Deutschen war auch ein schöner Abschied für den beliebten Fußballtrainer. Die eindrücklichsten Worte zum Hrubesch-Abschied fand Julian Brandt: „Er ist ein geiler Typ. Mit Leib und Seele dabei, der würde am liebsten selbst auf den Platz. So einen wie ihn gibt es selten. Heute geht er nicht vor zwölf Uhr ins Bett – dafür sorge ich.“

Spät wurde es auch bei den deutschen Fußballfrauen, die am Vortag durch ein 2:1 gegen Schweden die Goldmedaille holten. Wie bei den Männern ging es auch hier um Abschied: Die langjährige Trainerin Silvia Neid hört auf. Mit Gold kann man gehen. Die überragende Spielerin war Dzsenifer Marozsan: Einen Treffer erzielt und per Freistoß an den Pfosten ein schwedisches Eigentor provoziert – das war wirklich ihr Spiel. Silvia Neid lobte die tolle Moral ihrer Mannschaft und war ganz hingerissen von der Akteurin des Tages. „Technisch ist sie die beste Spielerin, die ich kenne. Sie ist sogar noch besser, als ich es früher war, und das will was heißen“, sagte Neid und lächelte.

34 Jahre ist Neid erfolgreich im Frauenfußball unterwegs

Ihre Bilanz ist beeindruckend. Silvia Neid wurde als Spielerin, Co-Trainerin und Bundestrainerin mehrfach Welt- und Europameisterin. In Rio gab es zum Abschluss dann noch dieses wunderbare Olympia-Gold. Zur Krönung. „Man kann das fast nicht in Worte fassen“, sprach Neid, die nach 34 Jahren als Aktive und Trainerin im DFB jetzt auch mal etwas anderes machen will. „Mich weiterbilden, was auch immer“, sagte sie noch – und verschwand in den Katakomben des Fußball-Tempels.