Zwang als letztes Mittel: Abschiebung von Flüchtlingen im vergangenen Februar auf dem Baden-Airport in Rheinmünster-Söllingen Foto: dpa

Mit Zuckerbrot und Peitsche will Grün-Rot abgelehnte Asylbewerber wieder außer Landes schaffen. Das bedeutet einerseits Rückkehrhilfe, andererseits Haft bis zur Abschiebung.

Stuttgart - Die Landesregierung setzt im Umgang mit Flüchtlingen, die keine Chance auf Asyl haben, eher auf die freiwillige Rückkehr als auf Abschiebungen. „Wir wollen Brücken und Hilfen anbieten“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD) in Stuttgart. Dazu zählt er vor allem Beratungsangebote für Flüchtlinge, die zum Beispiel vom westlichen Balkan stammen. Deren Anerkennungsquote im Asylverfahren ist gering.

Ohnehin sei wenig bekannt, dass deutlich mehr Flüchtlinge freiwillig ausreisten als abgeschoben werden, sagte Gisela Erler (Grüne), Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft.

Es sei deshalb wichtig, die Rückkehrberatung zu intensivieren und dafür auch solche Menschen zu gewinnen, die sich bisher bei der Asylberatung engagiert hätten. Damit spricht Erler nicht zuletzt ihre eigenen Parteifreunde an, von denen viele in der Flüchtlingshilfe tätig sind und fordern, die Abschiebepolitik zu beenden.

Im vergangenen Jahr 1211 Asylbewerber abgeschoben

Laut Innenministerium wurden im vergangenen Jahr 1211 Asylbewerber abgeschoben. Rund 2500 Flüchtlinge verließen das Land freiwillig – vor allem solche aus Balkanländern. Als Anreiz erhielten sie unterschiedliche staatliche Leitungen. Sowohl die EU als auch der Bund und das Land haben solche Programme aufgelegt.

So machten zum Beispiel im vergangenen Jahr 526 Serben von dem freiwilligen Rückkehrprogramm des Landes Gebrauch, außerdem 383 Mazedonier, 159 Bosnier, 66 Russen und 41 Kosovaren. Manche Rückkehrer bedienen sich auch aus mehreren Töpfen.

Gall kündigte darüber hinaus ein strengeres Vorgehen gegen Asylbewerber an, die sich einer Rückkehr widersetzen. „Wir wollen alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, wenn jemand bei der Feststellung der Identität nicht mitwirkt“, sagte der SPD-Politiker. Solche Flüchtlinge müssten damit rechnen, dass ihr Taschengeld – das sind momentan 140 Euro im Monat – gekürzt wird.

Es sei zwar rechtlich nicht möglich, das komplette Taschengeld zu streichen, man wolle aber die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Danach kann das Taschengeld um bis zu 40 Prozent gekürzt werden. Gall sagte, man werde die Behörden auf diese Sanktionen hinweisen.

Auf massiven Widerstand stieß Gall mit seiner Ankündigung, die Jugendstrafanstalt in Pforzheim zu schließen, um dort eine Abschiebehaftanstalt einzurichten. Mit dieser Entscheidung würden „potenzielle Problemlagen inmitten eines dichten Wohngebiets geschaffen“, warnt Pforzheims OB Gert Hager (SPD) in einem Brief an Kretschmann. Er befürchtet, dass es „zu größeren Störungen der Anlieger und Sachbeschädigungen“ kommt. Das Land solle doch wenigstens die Häftlinge auf die Flüchtlingsquote der Stadt anrechnen.

64 Plätze sollen in dem Abschiebegefängnis entstehen, das der Ministerrat am Dienstag beschlossen hat. Bei der Standortsuche hatte die Landesregierung ursprünglich auch Bruchsal ins Auge gefasst, Pforzheim war wegen der Anbindung an Autobahnen und Flughäfen jedoch übrig geblieben. Hier sollen künftig solche Flüchtlinge auf ihre Abschiebung warten, bei denen die Gefahr besteht, dass sie untertauchen.

Bis zum vergangenen Jahr waren Abschiebehäftlinge auf dem Gelände des Mannheimer Gefängnisses untergebracht. Der Europäische Gerichtshof entschied jedoch, dass eine Inhaftierung in Justizvollzugsanstalten grundsätzlich rechtswidrig ist und zwar auch dann, wenn die Häftlinge getrennt von Strafgefangenen untergebracht werden.

Baden-Württemberg hat daraufhin Abschiebehäftlinge in Rheinland-Pfalz untergebracht, wo es allerdings an Platz mangelt. Gall versucht nun eine Kooperation mit Hessen zu erreichen. Die Sozialräume in der Abschiebehaft müssten besser sein als in Haftanstalten, sagte Gall. Das seien bundesweite Vorgaben, die auch Baden-Württemberg umsetzen müsse.

Kretschmann verteidigte sich gegen den Vorwurf der Opposition, der Flüchtlingsgipfel vom Montag habe allein der grün-roten Rechtfertigung gedient: „Ich betrachte den Gipfel als Erfolg.“ Es habe schließlich konkrete Beschlüsse gegeben.

Auch die Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche bewerteten das Treffen positiv. Landesbischof Frank Otfried July sagte, der Gipfel habe gezeigt, wie notwendig es sei, dass die verschiedenen Akteure aufeinander hörten. Notwendig sei ein Netzwerk, ein Bündnis für Flüchtlinge.

Der Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, empfahl die Stärkung von lokalen Bündnissen für Flüchtlinge. Fürst will alle Gemeinden der Diözese anschreiben mit der Bitte, weitere kirchliche Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu finden.

Derzeit werden seinen Angaben zufolge rund 1300 Flüchtlinge vorläufig in der Diözese beherbergt, darunter drei Gruppen jesidischer Frauen.