Junge Ausländer bei der Einweisung durch ihren Ausbildungsleiter – Arbeitgeber sorgen sich um Nachwuchs in den Ausbildungsberufen Foto: dpa

Für 2015 rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit 160 000 Asylbewerbern im erwerbsfähigen Alter. In Baden-Württemberg startet nun ein neues Programm, das Flüchtlinge mit Potenzial fit für den Arbeitsmarkt machen soll. Damit will das Land den Fachkräftemangel bekämpfen.

Stuttgart/Freiburg - Wenn Salomon Batine Beblen (35) ein Wort buchstabieren soll, das mit L anfängt, sagt er: „L wie Leistung.“ Der Flüchtling aus Kamerun scheint in Baden-Württemberg angekommen zu sein. „Seit August mache ich an der Marta-Belstler-Schule in Freiburg eine Ausbildung zum Altenpfleger“, sagt er. In Kamerun hat er fünf Jahre Betriebswirtschaft studiert.

Menschen wie Salomon will es die Fachkräfteallianz in Baden-Württemberg künftig leichter machen, Deutsch zu lernen und einen Job zu finden. „Es ist ein Beitrag zur Fachkräftesicherung, die Potenziale von Flüchtlingen zu nutzen“, sagte Nils Schmid (SPD), Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Die Fachkräfteallianz besteht aus Vertretern von Politik, Arbeitgebern, Gewerkschaften, der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der Kirche. Die Bündnispartner wollen künftig mit vereinten Kräften die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt vorantreiben. Als zentrale Herausforderungen nannte Schmid die Sprachförderung, die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit, die Rechtssicherheit und die Berufsanerkennung.

Die Jobcenter in Baden-Württemberg bieten seit Anfang des Jahres einen sogenannten Basischeck für Flüchtlinge an, bei denen ihre bisherige Qualifizierung abgefragt wird. Dadurch soll ermittelt werden, ob die Menschen auf dem baden-württembergischen Arbeitsmarkt gefragt sind und welche Nachqualifizierungen nötig sind.

An drei Pilot-Standorten läuft noch in diesem Monat das Programm Stella an: In Ludwigsburg, Tübingen und in Offenburg. Dabei werden pro Standort drei Mitarbeiter für die Arbeit mit den Flüchtlingen abgestellt. Die Asylbewerber erhalten Sprachkurse und Nachhilfe, um bei ihrer Berufsausbildung das baden-württembergische Niveau zu erreichen.

Die Kosten für die Sprachkurse werden von den Kommunen getragen, sagt ein Sprecher der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit in Baden-Württemberg. Allein für die Deutschkurse rechnen die Experten mit Kosten in Höhe von 2000 Euro pro Flüchtling. Um einen Ausländer auf ein mittleres Deutsch-Niveau zu bringen, brauchen die Lehrer etwa ein Jahr. Das Pilot-Projekt soll rund 180 Flüchtlinge erreichen.

Im vergangenen Jahr gab es laut Christian Rauch, Leiter der Regionaldirektion, in Baden-Württemberg 14 000 Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter. Rund ein Drittel von ihnen habe eine positive Bleiberechtsperspektive. Die Anstrengungen der Fachkräfteallianz konzentriert sich auf jene Flüchtlinge, bei denen die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Deutschland bleiben können, hoch ist.

Bundesweit rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für 2015 mit rund 230 000 neuen Asylanträgen. Davon sollen geschätzte 160 000 Personen erwerbsfähig sein und nach drei Monaten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erlangen.

Auf Bundesebene arbeiten das BAMF und die BA seit Anfang 2014 daran, Asylbewerber und Geduldete an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Bis Dezember wurden 494 Teilnehmer an sechs Standorten in dem Projekt namens „Early Intervention“ betreut.

In Baden-Württemberg wurde das Projekt in Salomons neuer Heimat Freiburg angeboten. Dort hätten das Programm 60 bis 80 Teilnehmer durchlaufen, sagt Theresia Denzer-Urschel, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur Freiburg. Zwölf von ihnen hätten bisher einen Job gefunden und zwei einen Ausbildungsplatz. Rund 40 Prozent der Teilnehmer seien Flüchtlinge aus Syrien. Die Flüchtlinge seien in der Regel sehr motiviert, sagt Denzer-Urschel. Sie sieht in den Flüchtlingen eine reales Potenzial für den baden-württembergischen Arbeitsmarkt.

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass Flüchtlinge oft ohne Papiere ankommen, die ihre Qualifikation belegen. Auch die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen stellt häufig eine Hürde dar.

Das baden-württembergische Integrationsministerium will sich nun verstärkt darum kümmern, dass Schulabschluss und Berufsausbildung bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung festgestellt werden.

Schmid hält außerdem eine rechtliche Änderung für nötig, die Asylbewerbern einen Spurwechsel ermöglicht. Es sollte machbar sein, dass Flüchtlinge nicht nur aus humanitären Gründen einen Aufenthaltstitel bekommen, sondern auch aus wirtschaftlichen. Nämlich dann, wenn sie für den Arbeitsmarkt von Nutzen sind.

Die Arbeitgeber erhoffen sich von den Flüchtlingen vor allem Nachwuchs für die Ausbildungsberufe. Dort herrschen bereits heute bisweilen Engpässe, weil immer mehr junge Menschen lieber an die Uni gehen. So waren im September zu Beginn des Ausbildungsjahres in Baden-Württemberg 5900 Ausbildungsplätze unbesetzt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und andere Länderchefs hatten sich vergangene Woche dafür ausgesprochen, jungen Asylbewerbern mindestens für die Dauer einer Berufsausbildung in Deutschland einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu gewähren.

Salomon mag seine neue Heimat. „Mir ist nur kalt“, sagt er. „Aber solange das mein einziges Problem ist, ist alles gut.“