Für den Kabarettist Özgür Cebe ist Deutschland seine Heimat. Einen türkischen Pass braucht er nicht. Foto: Andreas Wosnitza

Der türkische Kabarettist Özgür Cebe tritt im Renitenztheater auf. Im Interview spricht er über Recep Tayyip Erdoğan, das bevorstehende Referendum und die Rolle der Deutsch-Türken.

Stuttgart -

Herr Cebe, Ihr aktuelles Programm trägt den Titel „Born in the BRD“. Grenzen Sie sich damit programmatisch von der Ethno-Comedy ab? Nervt es Sie, nach Einschätzungen der Lage der Türkei gefragt zu werden?
„Born in the BRD“ ist ein Bekenntnis zu diesem Land. Ich gelte ja nicht als „Bio-Deutscher“, sondern wohl eher als „Monsanto-Deutscher“. Trotzdem bin ich aber nun mal Deutscher. Der Kabarettist in mir freut sich über die Vorgänge in der Türkei. Die Komödie entspringt ja der Tragödie. So gesehen ist Erdoğan ein dankbares Thema, er liefert viel Material. Aus humanistischer Sicht ist er aber eine Katastrophe, ein Skandal. Vernünftig tickende Menschen können unmöglich für Erdoğan sein.
Wieso unterstützen ihn dann so viele Deutsch-Türken?
Viele Menschen, die hier seit Jahren leben, galten immer als Gastarbeiter oder als deren Nachkommen. Lange hat man gesagt, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Da wurde eine Linie gezogen. Wenn man zum Beispiel in England geboren ist, ist man Brite, egal ob man afrikanische oder asiatische Wurzeln hat. In Deutschland war das bis zum Jahr 2000 nicht so. Die Einbürgerung war mit viel Bürokratie verbunden, obwohl man doch hier geboren wurde.
Und deshalb unterstützt man Erdoğan?
Nein, aber damit hat man Migranten signalisiert: Ihr gehört nicht wirklich dazu, ihr seid nicht Teil unserer Gesellschaft. Wenn überhaupt, seid ihr eine Parallelgesellschaft, die wir dulden. Das führt zu Ghettoisierung. Wenn man Menschen ausgrenzt, vor allem junge Menschen, ist das der perfekte Nährboden für einen Fundamentalisten aus der Türkei, der jetzt eben Erdoğan heißt und diesen Leuten ein Gefühl von Nationalzugehörigkeit vermittelt, indem er ihnen sagt: „Ihr gehört zu uns, ihr seid Türken, hier ist eure Heimat. Ihr könnt jederzeit zurück, wir akzeptieren euch.“ Das ist Balsam auf die Seele eines in Deutschland lebenden Türken, der hier jahrelang abgelehnt wurde. Da blendet man die negativen Eigenschaften Erdoğans leicht aus.
Ihr Kollege Serdar Somuncu hat sich gegen den Doppelpass ausgesprochen, weil er zu einer Identitätsspaltung führe. Sehen Sie das auch so?
Ich bin ein großer Bewunderer Serdar Somuncus, ein sehr guter zeitgenössischer Kabarettist, der politisch bewandert ist. Nicht nur aus diesem Grund bin ich seiner Meinung: Ich selbst habe mich für eine, für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden. Das Problem der doppelten Staatsbürgerschaft wird an krassen Beispielen deutlich. Nehmen wir ein Land wie den Iran: Hier gilt das Grundgesetz, dort die Scharia. Diese beiden Regierungsformen beißen sich, wie soll man das in Einklang bringen?