Alltag bei Demonstrationen gegen Stuttgart 21: In vielen Fällen macht sich strafbar, wer sich von Polizeibeamten wegtragen lässt. Foto: dapd

Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler verwahrt sich dagegen, linke Demonstranten strenger zu verfolgen als rechte Straftäter. Stuttgart-21-Gegner würden demnach nicht vom Verfassungsschutz beobachtet oder abgehört.

Stuttgart - Stuttgart-21-Gegnern gilt Bernhard Häußler als Scharfmacher. Zuletzt wurde der Oberstaatsanwalt dafür kritisiert, linke Demonstranten streng zu verfolgen und gegenüber Alt-Nazis Milde walten zu lassen. Häußler verwahrt sich gegen den Vorwurf, auf dem rechten Auge blind zu sein.

Herr Häußler, wie wird aus einem Schubser gegen einen Polizeibeamten bei einer Stuttgart-21-Demonstration eine Anklage wegen versuchten Totschlags?
Der Vorgang, auf den Sie anspielen, hat sich ereignet, als im Sommer 2010 der Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs abgerissen wurde. Die Frau, um die es dabei ging, wurde aber nicht wegen versuchten Totschlags angeklagt, wir hatten lediglich einen Haftbefehl wegen versuchten Totschlags beantragt. Dieser wurde vom Haftrichter und dem Landgericht abgelehnt. Es kam zur Anklage und auch Verurteilung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

War Ihr Antrag damals überzogen?
Die Frau hatte einen Disput mit einem Polizeibeamten. Als ein Schutt-Lkw die Baustelle verließ, drehte sich die Frau um und stieß einen anderen unbeteiligten Beamten unvermittelt vor diesen Lkw auf die Fahrbahn. Das war nicht nur ein Schubser. Was die Frau tat, hätte unserer Meinung nach tödlich enden können, wenn der Fahrer des Lkw nicht sofort gebremst hätte. Allerdings war der Tötungsvorsatz nicht nachweisbar.


Ihre Abteilung verfolgt Straftaten mit politischem Hintergrund, dazu zählen unter anderem die Delikte bei Stuttgart-21-Demonstrationen. Als zuständiger Oberstaatsanwalt sind Sie für die Gegner des Bahnprojekts zu einer Art Hassfigur geworden.
Es handelt sich um eine Minderheit der Bahnhofsgegner.

Angesichts Hunderter von Verfahren könnte man konstatieren, dass Sie jede Bagatelle zur Anklage bringen wollen. Täuscht der Eindruck?
Wir führen keinen Kleinkrieg, wie uns gelegentlich unterstellt wird. Wir haben uns beim Thema Stuttgart 21 von Anfang an auf eine Linie festgelegt. Diese ist nicht von Willkür geleitet.

Dabei gilt welcher Grundsatz?
Es liegt ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vor, weil die politische Auseinandersetzung nicht mit Straftaten geführt werden darf. Vergehen gegen Polizeibeamte werden ohnehin grundsätzlich verfolgt. Ein Polizeibeamter vertritt das Recht, wer ihn beleidigt, beleidigt das Amt. Bei polizeilichem Fehlverhalten gibt es die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, und die der Dienstaufsichtsbeschwerde.

Der Staat handelt also nicht aus „Wut auf die Wutbürger“, wie „Der Spiegel“ unlängst formuliert hat?
Unsere grundsätzliche Praxis ist bei den Ermittlungen zu Stuttgart 21 die gleiche wie in allen anderen Bereichen, für die wir zuständig sind.

Ohne spezielle Vorgaben der Generalstaatsanwaltschaft oder des Innenministeriums?
Wir haben bezüglich Stuttgart 21 keinerlei Weisung oder sonstige Vorgaben erhalten.