Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko/PPF

Bürgerzentrum, Bierzelt, Brunch: Für die Bewerber um das Amt des OB beginnt die heiße Phase.

Stuttgart - Seit Monaten sind sie gekürt, ab jetzt können sie sich dem Wahlvolk auch als Bewerber präsentieren: Die drei aussichtsreichsten Kandidaten auf den OB-Sessel, Fritz Kuhn (Grüne) sowie die parteilosen Sebastian Turner (für CDU/FDP/Freie Wähler) und Bettina Wilhelm (für die SPD). Vor dem Sommerloch haben sie noch einmal die Möglichkeit, sich für die heiße Phase des Wahlkampfs warmzulaufen – und politische Signale zu setzen. Am Wochenende haben die Bewerber Termine wahrgenommen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten.

Samstag, 10 Uhr. Grünen-Kandidat Fritz Kuhn sucht die Nähe zu den Herrschenden. In der Alten Kanzlei am Schlossplatz diskutiert er beim Brunch mit Ministerpräsident und Parteikollege Winfried Kretschmann vor 30 geladenen Gästen über das bisweilen schwierige Verhältnis von Stadt und Land.

Die Grünen sind sich bei S 21 nicht grün

Dass sich die beiden Realo-Grünen der ersten Stunde politisch nicht immer ganz grün sind, daraus machen sie kein Hehl. OB-Kandidat Kuhn erklärt, es gebe Meinungsverschiedenheiten, etwa was die Zuständigkeiten von Bund, Land und Stadt angehe. „Stuttgart kommt als Landeshauptstadt eine besondere Bedeutung zu“, sagt er. Die Stadt werde aber bisweilen zwischen Baden und Württemberg zerrieben. Der überzeugte Föderalist Kretschmann erwidert, er habe sich stets dafür starkgemacht, dass das Land viele Zentren habe. „Stuttgart ist als Wirtschafts- und Kulturzentrum wichtig, sollte aber aus sich selbst heraus stark werden.“ Kuhn lächelt höflich. Die Stadt hat dringlichere Probleme. In regionaler Zusammenarbeit müsse das Feinstaubproblem angepackt werden. Zudem habe er Zweifel an der Leistungsfähigkeit des künftigen Tiefbahnhofs, sagt Kuhn. Die alten Gleise sollten erhalten bleiben. Der Kostendeckel stehe jedenfalls – bei Stadt wie Land. Kretschmann verzieht die Mundwinkel.

Zumindest in einem Punkt sind sich die beiden einig: Nach einem grünen Landesvater soll es bald auch einen Stuttgarter OB derselben Parteifarbe geben. „Ich wünsche dir, dass du’s wirst“, sagt Kretschmann, „du strebst ein tolles Amt an.“ Er beneide Oberbürgermeister, weil die eine größere Machtfülle besäßen als ein Ministerpräsident.

Turner klammert Reizthema Stuttgart 21 bewusst aus

Sonntag, 11 Uhr. Der parteilose Kandidat von CDU, FDP und Freien Wählern, Sebastian Turner, geht im Bürgerzentrum West in die Offensive – und präsentiert den rund 350 Gästen im Saal als erster der OB-Kandidaten sein frisch gedrucktes, 34-seitiges Wahlprogramm. „Fast fertig“ sei es, sagt Turner. „Ich stelle es als Entwurf vor, damit Sie noch ausreichend Zeit haben, Verbesserungen vorzuschlagen.“ Der „Bürgerblick“ ist ihm wichtig, der er sich „Bürger-OB für Stuttgart“ nennt. Den anwesenden Piraten-Kandidaten Harald Herrmann dürfte es freuen.

Manche Sätze liest Turner mehrfach vor, weil sie ihm besonders wichtig erscheinen – etwa wenn es um ein neues Miteinander der Stuttgarter geht, um intakte Nachbarschaften und bessere Bildung. Das Reizthema Stuttgart 21 klammert er ganz bewusst aus. „Wir bleiben Weltstädtle, wir werden Bildungshauptstadt, und wir bekommen eine super Infrastruktur“, so lautet seine persönliche Kurzfassung des Wahlprogramms.

„Köpfe sind unsere wichtigste Ressource“

Drei Stunden später, beim Sommerfest der SPD auf dem Berger Festplatz. Bettina Wilhelm, parteilose SPD-Kandidatin und derzeit Erste Bürgermeisterin von Schwäbisch Hall, mischt sich unters Volk. Bei roten Würsten, Bier und Blasmusik haben sich im Pavillon rund hundert Bürger eingefunden. Sie spricht über Kinderbetreuung und Bildung. „Köpfe sind unsere wichtigste Ressource“, sagt sie. Das Herz der Wähler wolle sie erreichen. Gegenüber ihren Konkurrenten sehe sie sich im Vorteil, weil sie sich mit Kommunalpolitik auskenne, so Wilhelm.

Zu den Mitbewerbern habe sie ein höflich-distanziertes Verhältnis, erklärt sie, auch nach den unzähligen gemeinsamen Terminen. Sie spüre jedoch, dass auf den Podien schärfer geschossen werde. Einen „Fairness-Pakt“, wie ihn Sebastian Turner vorgeschlagen habe, hält sie dennoch für überflüssig.