Vom Vize zum OB: Gunter Czisch bei einem Besuch des Fahrzeugmuseums der Ulmer Feuerwehr Foto: dpa

„Die CDU kann Großstadt. Die CDU ist bärenstark“: So frohlockt Parteichef Thomas Strobl nach der Wahl von Gunter Czisch zum Ulmer Oberbürgermeister. Der Geehrte selbst sieht das nüchterner.

Ulm/Stuttgart - Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Erst recht in der Kommunalpolitik. Wo immer ein OB-Bewerber mit Parteibuch eine Mehrheit hinter sich schart, sind Gesinnungsfreunde zur Stelle, um daraus Honig zu saugen. So auch am Wochenende in der 120.000-Einwohner-Stadt Ulm.

„Die CDU kann Großstadt! Die CDU ist bärenstark!“, jubelte am Montag Landesvorsitzender Thomas Strobl. Und vor allem: „Mit Blick auf die Landtagswahl am 13. März 2016 ist dieses Wahlergebnis unserer Ulmer Freunde ein sehr, sehr gutes Zeichen.“

Strobls Genugtuung ist verständlich, denn es ist viele Jahre her, seit die Christdemokraten in einer baden-württembergischen Großstadt Grund zum Feiern hatten. Aktuell stellen sie in keiner einzigen Kommune mit mehr als 100.000 Einwohnern den Rathauschef. Die SPD hingegen gleich in fünf (Mannheim, Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn und derzeit noch Ulm), die Grünen in zwei (Stuttgart und Freiburg). Barbara Bosch, Oberbürgermeisterin von Reutlingen, sowie ihr Heidelberger Kollege Eckart Würzner sind parteilos.

Bürger wählen Persönlichkeiten, keine Parteien

Künftig also Ulm. Gunter Czisch tritt sein Amt im März 2016 an. Mit 52,9 Prozent hat der bisherige Finanzbürgermeister der Münsterstadt seinen sozialdemokratischen Kontrahenten Martin Rivoir (29,9 Prozent) gleich im ersten Wahlgang aus dem Feld geschlagen. Die Grünen-Stadträtin Birgit Schäfer-Oelmayer kam auf 7,8 Prozent.

Aus seiner Parteizugehörigkeit hat der gebürtige Stuttgarter allerdings nie viel Aufhebens gemacht – genauso wenig wie seine Kontrahenten. Es gehört zum Grundwissen von Kommunalpolitikern, dass man solche Beziehungen eher unter der Decke hält, und seien sie auch noch so notwendig. Denn ohne den finanziellen Rückhalt einer Partei lässt sich ein OB-Wahlkampf, der hohe fünfstellige Summen verschlingt, nicht durchstehen.

„Doch die Bürger wählen eine Persönlichkeit, und Czisch stand schon zuvor über den Parteien“, sagt der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling unserer Zeitung. Mit der Landes-CDU und deren Chancen habe der Ulmer Wahlausgang jedenfalls nichts zu tun. Allenfalls die Erkenntnis, dass Christdemokraten sehr wohl auch in Großstädten punkten können, wenn die Konstellation stimmt, könne die CDU daraus gewinnen.

SPD: Erfolg in Rathäusern, aber nicht im Land

Zur Konstellation gehört für Wehling auch, dass der scheidende SPD-OB von Ulm, Ivo Gönner, kein Hehl aus seinem guten Verhältnis zu seinem bisherigen Stellvertreter gemacht hat. Eine Wahlempfehlung zu Gunsten des CDU-Manns sprach Gönner zwar nicht aus, aber im bürgerlichen Lager nahm man die Sympathie sehr wohl zur Kenntnis. „Czisch hatte den Segen von Gottvater“, glaubt Wehling mit Blick auf Gönners Renommee und Einfluss.

Von der Wählerstruktur her liegen CDU und SPD in der Donaustadt übrigens gar nicht so weit auseinander: Bei der Kommunalwahl 2014 errangen die Schwarzen 22,3 Prozent, die Roten 19,5 Prozent, die Grünen lagen mit 19,3 Prozent fast gleichauf. Umso mehr kam es am Sonntag auf die Persönlichkeit der Kandidaten an.

Wie trügerisch es sein kann, aus dem Erfolg von OB-Wahlen Rückschlüsse aufs Land zu ziehen, erlebt seit Jahren die SPD: Trotz beachtlicher Erfolge in den Rathäusern kommt sie in der Fläche nicht vom Fleck. Meinungsforscher taxieren sie momentan auf 16 bis 18 Prozent.

Auch Czisch selbst zieht keine Rückschlüsse

Dabei hatte doch zuletzt im März 2014 Harry Mergel in Heilbronn Anlass zur Hoffnung gegeben: Der SPD-Mann beendete gleich im ersten Wahlgang die lange Phase der CDU-Dominanz an der Rathausspitze mit 55,9 Prozent. „Das ist auch ein schönes und motivierendes Signal für die Wahl am 25. Mai“, sagte damals SPD-Landeschef Nils Schmid. Er glaubte, positive Zeichen für die kurz darauf folgende Kommunalwahl erkennen zu können. Für die Stadt Heilbronn traf das tatsächlich zu: Die SPD gewann im Mai desselben Jahres 1,7 Prozent hinzu. Im gesamten Land jedoch büßte sie 0,5 Prozent ein.

Czisch selbst sprach am Montag von einer Persönlichkeitswahl. „Wenn sich die CDU jetzt motiviert fühlt, dann freue ich mich darüber“, sagte er dem SWR. Und wenn man „mit beiden Füßen auf dem Wertefundament der CDU steht, dann ist das ja auch ein Zeichen“. Dennoch sieht er in seinem Erfolg kein Vorzeichen für die Landtagswahl.

OB-Wahlen seien immer Persönlichkeitswahlen, erklärte am Montag auch SPD-Landeschef Nils Schmid. Der Amtsbonus des Ersten Bürgermeisters habe eine „herausragende Rolle“ gespielt. Deshalb lasse sich keinerlei Rückschluss auf die Landtagswahl ziehen. Und was die Großstadtqualitäten der Landes-CDU angeht, griff Schmid in die Wahlkampfkiste: „Herr Wolf kann mit Urbanität so viel anfangen wie ein Fisch mit dem Fahrrad.“

Es gibt keine Erbhöfe mehr

Schmid verschweigt dabei allerdings, dass in der SPD-Hochburg Mannheim im Sommer beinahe der eigene Parteifreund vom politischen Vehikel gefallen wäre: OB Rolf Kurz (SPD) benötigte zwei Wahlgänge, um seinen CDU-Kontrahenten Peter Rosenberger niederzuringen. Erbhöfe kann also keine Partei mehr für sich beanspruchen. Schon gar nicht in einer Großstadt. Der Wähler will jedes Mal aufs Neue überzeugt werden.