OB Wolfgang Schuster und Ministerpräsident Stefan Mappus bei der S-21-Schlichtung Foto: dpa

Eisige Stimmung: In einem Brief Anfang Januar hat der OB um einen besseren Umgang gebeten.

Stuttgart - OB Wolfgang Schuster und Ministerpräsident Stefan Mappus haben sich nichts zu sagen. Mit seiner Ankündigung, der CDU-Kollege werde 2012 nicht mehr für das OB-Amt kandidieren, hat Mappus das Zerwürfnis öffentlich gemacht. Für Schuster muss das kein Nachteil sein.

Am Tag eins nach dem politischen Erdbeben herrscht im Rathaus eitel Sonnenschein. "So viele Freunde hattest du noch nie", frotzelt ein Bürgermeister am Morgen während einer größeren Besprechung in Richtung OB. Der lehnt sich entspannt zurück, lächelt - und genießt.

Die plötzliche Attacke von Regierungschef Stefan Mappus, der am Mittwochabend in der Villa Reitzenstein erklärt hatte, der aktuelle Amtsinhaber werde 2012 nicht mehr für das OB-Amt kandidieren, hat Schuster viel Sympathien und Durchhalteparolen eingebracht. Das Vorgehen des Ministerpräsidenten wird dagegen selbst in CDU-Kreisen als "menschlich schwierig" und "absolut unprofessionell" kritisiert.

Schuster will nicht als Auslaufmodell gelten

Schuster ließ am Mittwochabend mitteilen, er werde an seinem Zeitplan festhalten und sich "ein Jahr vor Ablauf meiner Amtszeit" dazu erklären, ob er ein drittes Mal antritt. Er will mit aller Kraft verhindern, dass er frühzeitig als Auslaufmodell gehandelt und vor allem von Investoren nicht mehr ernstgenommen wird. "Das hat er in den letzten Jahren der Ägide Rommel als Bürgermeister aus nächster Nähe miterlebt", sagt ein politischer Wegbegleiter Schusters.

An dem Umstand, dass der heute 61-Jährige spätestens mit 68 Jahren in den Ruhestand gehen muss - was bedeutet, dass er keine volle dritte Amtsperiode von acht Jahren mehr auf dem Chefsessel sitzen wird -, ist dagegen nicht zu rütteln.

Mappus hat Schuster am Mittwoch ständige Versäumnisse bei der Vermittlung des Bahnprojekts Stuttgart 21, bei der stockenden Schulsanierung und beim Umgang mit den Antragstellern des Bürgerbegehrens gegen Stuttgart21 im Jahr 2007 vorgeworfen. Der OB hätte die 67000 Unterschriften damals selbst entgegennehmen müssen, so Mappus. In die Suche nach einem potenziellen Nachfolger werde er sich persönlich einschalten, kündigte der CDU-Landesvorsitzende an. Ein heiß gehandelter Kandidat, der Fellbacher OB Christoph Palm (CDU), sagte Mappus am Donnerstag ab.

FDP: "Jeder kehre vor eigener Tür"

Der Stuttgarter CDU-Kreisverband reagierte nach einer eiligen Sitzung mit den Landtagskandidaten am Donnerstag bestimmt: Der Respekt vor dem Amt des Oberbürgermeisters gebietet, "dass er seine Entscheidung selbst bekanntgibt". Mappus' Rat sei "zu gegebener Zeit" willkommen. Die FDP sekundierte: "Jeder kehre vor seiner eigenen Tür." Grünen-Spitzenkandidat Winfried Kretschmann sieht einen "absolutistischen Regierungsstil", die SPD fordert Schuster auf, über einen Rücktritt nachzudenken. Er sei "irreparabel beschädigt".

Warum demontiert Mappus den OB der Landeshauptstadt? Die Pfiffe und "Mappus raus"-Rufe bei der Wahlkampfveranstaltung mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag haben ihn sichtlich verärgert. Als Bauernopfer für die Fehleinschätzungen und Versäumnisse der CDU-FDP-Landesregierung beim Thema Stuttgart21 taugt der spröde Schuster allemal. Ob das Manöver drei Wochen vor der Wahl für die CDU allerdings gutgeht, bleibt abzuwarten.

Schuster hält nicht viel von Mappus

Doch es ist nicht Stuttgart21 allein. "Der OB hält nicht allzu viel vom Ministerpräsidenten, und der weiß das ganz genau", sagt ein Beobachter. Der intellektuelle, eher zurückgenommene Schuster und der forsche Mappus passen "nicht in ein Boot". Mappus sei ein "Kleinstädter", ätzt ein anderer. Stuttgart sei ihm fremd. Mappus sei "politisch suizidal" veranlagt, sagt ein Dritter.

Bei so unterschiedlichen Charakteren wie Schuster und Mappus kommt es leicht zu Missverständnissen: Als Ende vorigen Jahres Schuster wegen der anstehenden Wahl und einer "womöglich neu zusammengesetzten Landesregierung" in der Presse eine Denkpause beim umstrittenen Ministeriums- und Handels-Neubau am Karlsplatz forderte, fühlte sich der Wahlkämpfer Mappus überrumpelt, ja brüskiert.

Nur über Umwegen erfuhr man im Rathaus von der Verärgerung des Regierungschefs. Schuster fühlte sich daraufhin ungerecht behandelt. In einem Brief an Mappus soll er Anfang Januar sinngemäß um einen vernünftigen Umgang gebeten haben. Der Brief bringt das Fass zum Überlaufen. Der frostige Umgang der CDU-Größen entwickelte sich zur Eiszeit. Vor der Presse lächeln beide professionell. Aber mit kleinen Nadelstichen straft Mappus den OB ab. Beim Empfang von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso im Januar im Neuen Schloss musste der bekennende EU-Fan Schuster in der dritten Reihe Platz nehmen - aus protokollarischer Sicht ein Affront gegen das Stadtoberhaupt.