Freudenstadt hofft auf einen Tunnelbau, der den Marktplatz (Bildmitte) vom Verkehr entlasten könnte. Foto: dpa

Freudenstadt hat sich touristisch und wirtschaftlich sehr positiv entwickelt – das liegt auch am großen Elan des Oberbürgermeisters Julian Osswald, der seit neun Jahren im Amt ist.

Freudenstadt - Freudenstadts Rathauschef Julian Osswald sei eine Dampfwalze der guten Laune, so formuliert es ein Bürger dieser herrlich inmitten des Schwarzwalds gelegenen Stadt. Und in der Tat, wie Osswald in seinem dunkel getäfelten Büro sitzt und seine ersten neun OB-Jahre im Geiste an sich vorüberziehen lässt, da bricht der ungefilterte Frohsinn immer wieder aus ihm heraus. Am liebsten scheint er über sich selbst zu lachen – eine schräge Karikatur von sich in der Lokalzeitung postet er bei Facebook als neues Titelfoto. Und zur Lebensqualität in seiner Stadt, die 67 Prozent Waldanteil umfasst, sagt Osswald nur: „Die ist Bombe.“ Eines steht fest: Osswald gehört zu den ungewöhnlichsten Bürgermeistern im Land.

Mit seinem unerschütterlichen Elan reißt der 51-jährige Oberbürgermeister mit CDU-Parteibuch viele Menschen mit – und er stößt vieles an. Die Stadt boomt, die meisten Kennzahlen zeigen steil nach oben. Eine versteckte Perle sei Freudenstadt mittlerweile, sagen viele. Oder wie Osswald es ausdrückt: „Für eine Stadt unserer Größe, die ‚in the middle of nowhere‘, liegt, ist es bemerkenswert, was wir bieten.“ So kommt es, dass Freudenstadt, was auch nicht allzu häufig vorkommt, kommunalpolitisch ein einigermaßen befriedeter Ort ist. Auch Wolfgang Tzschupke, der Vorsitzende der Freien Wählervereinigung, meinte vor Kurzem, bei aller Kritik im Einzelnen: „Ja, es ist toll, wie sich unsere Stadt entwickelt.“ Viele Menschen mögen ihren bodenständigen OB regelrecht, mit 90 Prozent der Einwohner sei Osswald per Du, glaubt ein Bürger. Als der OB im November einen Herzinfarkt erlitt, rief die Evangelische Allianz gar zu Gebeten für ihn auf. Mittlerweile fühlt sich Osswald wieder fit, tritt aber in manchen Dingen kürzer.

Kirche ruft zu Gebeten für den OB auf

Hier nun Freudenstadt im Schnelldurchlauf. Touristisch hat sich die Stadt nach der Kur-Delle Ende des 20. Jahrhunderts berappelt. 130 Millionen Euro geben die drei Millionen Tagesgäste und die 140 000 länger bleibenden Besucher im Jahr aus. Am Marktplatz – dem größten Deutschlands – kann man bei einem Rundgang bestaunen, dass es bei den Läden so gut wie keine Leerstände gibt. Viele Hoteliers sind dabei, ihre Häuser zu renovieren oder zu erweitern; die neue Berghütte Lauterbad am Kienberg ist gerade der Renner. Und erst vor wenigen Tagen hat der Gemeinderat, allerdings nach heftiger Debatte, den Bau eines großen Aussichtsturms in Form eines Tannenzapfens beschlossen. Das Panoramabad zieht 340 000 Gäste im Jahr an; gerade wird ein neues Freibad gebaut.

Aber Freudenstadt ist eben nicht nur Schwarzwald-Idyll. Auch wirtschaftlich hat es die Stadt geschafft, die Zahl der Beschäftigten hat sich in den vergangenen 15 Jahren um 15 Prozent auf 10 500 erhöht. „Für eine Stadt mit 23 000 Einwohner ist das ein gigantisches Verhältnis“, lobt sich Osswald selbst. Ohne große Proteste wurden 14 Hektar Wald für das Gewerbegebiet Sulzhau gerodet; weitere 16 Hektar sind möglich – in der Region Stuttgart undenkbar. Ein dickes Brett war die Hochschule für Maschinenbau, für die Freudenstadt 2016 den Zuschlag bekommen hat und die nun am Bahnhof entstehen soll. Der Landkreis plant überdies einen Neubau des Krankenhauses für 100 Millionen Euro.

Über den Marktplatz fahren noch 24 000 Autos pro Tag

Und selbst das größte Problem der Stadt, der Verkehr, könnte gelöst werden. Freudenstadt ist eine der wenigen Städte, bei der noch immer die Autos zweier Bundesstraßen direkt über den Marktplatz fahren – 24 000 Fahrzeuge täglich. Er sei nach Gesprächen mit dem Regierungspräsidium optimistisch, so Osswald, dass ein Tunnel gebaut werde – und vielleicht bis zur Gartenschau im Jahr 2025 fertig sei. Im Augenblick verschärft die 1,5 Millionen Euro teure Neugestaltung der Loßburger Straße im Zentrum der Stadt die Lage: Die Staugefahr ist bis zum Herbst noch höher. Dennoch: „Das Gesamtpaket aus Tourismus, Wirtschaft, Einzelhandel, Infrastruktur und Verkehr stimmt bei uns“, sagt der OB – wohl wissend, dass Freudenstadt davon profitiert, dass keine große Stadt in der Nähe liegt. Pforzheim, Baden-Baden, Offenburg – alle sind mindestens 50 Kilometer entfernt.

Paradiesisch geht es dennoch auch in Freudenstadt nicht zu. Die Bäder und der städtische Touristikbetrieb schreiben satte Verluste, trotzdem werden immer neue Projekte angeschoben. Im Kernhaushalt hat sich der Schuldenstand pro Einwohner seit Osswalds Amtsantritt fast verdoppelt, auf jetzt 445 Euro. Zuletzt mussten deshalb die Grundsteuer für die Bürger und die Gewerbesteuer für die Unternehmen angehoben werden, die SPD-Fraktion sieht mittlerweile „strukturelle Probleme“.

Aber selbst die Kritiker schätzen das Werk Julian Osswalds durchaus: „Er ist auf positive Weise ein Machtmensch mit vielen Ideen“, sagt Bärbel Altendorf-Jehle von der Bürgeraktion, die mit vier Personen im Gemeinderat sitzt. Nur überfahre er mit seiner Energie andere manchmal, und wer Kritik übe, werde schnell als Nestbeschmutzer abgestempelt. Altendorf-Jehle stört es, dass für den Unicampus ein denkmalgeschütztes Haus abgerissen wird, dass mit dem neuen Stadthotel am Kurhaus ein „Riesenkasten“ entsteht und dass der OB manches einfach im Alleingang durchzieht. Auch andere wundern sich, was alles in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen wird: „Manchmal läuft es fast zu geräuschlos in Freudenstadt“, sagt ein Beobachter.

OB ist ein Anhänger der „Kuchenvergrößerungs-Theorie“

Julian Osswald räumt ein, dass die Stadt jetzt trotz guter Rücklagen finanziell aufpassen müsse: „Aber derzeit brummt die Wirtschaft, und da müssen wir die Chancen nutzen.“ Er sieht sich als Anhänger der Kuchenvergrößerungstheorie: „Es geht nicht darum, den vorhandenen Kuchen neu zu verteilen, sondern wir müssen größere Kuchen backen.“ Woher das Geld dafür stamme, sei für ihn erst in zweiter Linie wichtig.

Was immer man Osswald an negativen Eigenschaften unterstellen könnte, Eitelkeit gehört nicht dazu. Der glühende VfB-Fan kommt bei Facebook mit jedem ins Gespräch, und offen erzählt er auch von den negativen Seiten seiner Amtszeit. Er habe die Emotionalität im Kampf um den Nationalpark unterschätzt, sagt er – Freudenstadt hat heute keinen Sitz im Rat und kann nicht mitreden, muss aber den zusätzlichen Verkehr zum Nationalpark ertragen. Und was ihn jetzt einhole, sei die Tatsache, dass er zunächst zu wenig in die Sanierung der Schulen investiert habe. „In den ersten Jahren als OB kann man solche Defizite noch auf den Vorgänger schieben. Das wird jetzt allmählich schwierig“, meint Osswald. Und lacht wieder herzlich über sich selbst.