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Biogas von Bauernhöfen oder aus industriellen Anlagen gewinnt bei der Energiewende zunehmend an Bedeutung. Ein Projekt der Nürtinger Stadtwerke wird dagegen seit Jahren ausgebremst.

Stuttgart/Nürtingen - Gebannt wird Volkmar Klaußer, der Chef der Nürtinger Stadtwerke, im Januar eine Verhandlung im Verwaltungsgericht Stuttgart verfolgen. Dort geht es um ein energiepolitisches Projekt, das die Stadtwerke und der Speiseresteverwerter Refood seit fünf Jahren verfolgen: den Bau einer Biogasanlage. Sie soll durch die Vergärung von 45 000 Tonnen Speiseresten im Jahr so viel Gas produzieren, um 20 Prozent der Nürtinger Haushalte versorgen zu können.

Obwohl Klaußer für diese Idee schon viel Lob eingeheimst hat, sind die Stadtwerke und ihr Partner von einer Baugenehmigung noch meilenweit entfernt. Dass die bis zu 20 Meter hohen Gärbehälter und die luftdicht verschlossene Annahmehalle noch nicht stehen, liegt am Standort der Anlage. Bauen möchten Klaußer und Refood auf einem rund zwei Hektar großen Acker zwischen Nürtingen und Großbettlingen. Der Bauplatz liegt unweit der Bundesstraße 313. Noch wichtiger ist für die Bauherren in spe, dass in der Nähe eine große Leitung vorbeiführt, in die das aufbereitete Biogas ohne großen Aufwand eingespeist werden könnte.

Standort liegt mitten in einem regionalen Grünzug

Der günstige Standort hat nur einen Haken: Er liegt mitten in einem regionalen Grünzug. Diese vom Verband Region Stuttgart beschlossene Einschätzung bedeutet, dass dort aus Rücksicht auf den Flächenverbrauch und das Klima nicht gebaut werden darf. In begründeten Fällen kann allerdings von diesen Zielen abgewichen werden. Und darauf haben die Stadtwerke und Refood bei der Auswahl des Standorts gesetzt. Der Verband Region Stuttgart, so die Hoffnung, habe seine Planungen schon für weniger wichtige Projekte als eine Biogasanlage außer Kraft gesetzt.

Das Prozedere für eine solche Änderung ist allerdings kompliziert. Zuständig ist nämlich nicht der Verband selbst, sondern das Regierungspräsidium als übergeordnete Behörde. Diese zögerte freilich nicht lange, um den Nürtingern für ihr Projekt grünes Licht zu geben. Die energiepolitische Bedeutung der Anlage, so das Regierungspräsidium in seiner Begründung, rechtfertige es, dass von den Zielen der Regionalplanung abgewichen werden kann. Außerdem attestiert man den Projektpartnern, dass sie alles unternehmen, um landschaftsverträglich zu bauen. Unter anderem werden die Hallen und Gärtürme tief in den Boden eingegraben und das Gelände bepflanzt.

Ob nach einem Urteil Klarheit herrscht, ist fraglich

Der Verband Region Stuttgart lässt sich diesen Eingriff in seine Planungshoheit allerdings nicht gefallen. Nach langen Diskussionen beschlossen die Regionalräte in ihrer letzten Vollversammlung vor der Sommerpause, dass sie gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums Klage einreichen wollen. Die Mehrheit der Regionalräte (die Abstimmung endete 43 zu 35) steht auf dem Standpunkt, dass es sich das Regierungspräsidium bei seiner Abwägung zu leicht gemacht habe. Auch Maßnahmen der Energiewende hätten sich an den Maßgaben der Regionalplanung zu orientieren.

Mittlerweile liegen für eine Verhandlung vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht alle Unterlagen vor. Ulrike Zeitler, die Sprecherin des Gerichts, geht deshalb davon aus, dass die Klage des Verbands im Januar aufgerufen wird. Ob nach einem Urteil allerdings Klarheit herrscht, ist fraglich. Angesichts des komplexen Sachverhalts sei es durchaus möglich, dass die Stuttgarter Richter eine Berufung gegen ihre Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof zulassen.

Auf einen positiven Ausgang vor Gericht für seine Sache setzt Klaußer nicht allein. Zusammen mit der Nürtinger Stadtverwaltung und mit der Unterstützung einiger Nachbargemeinden haben die Stadtwerke nun das Baugenehmigungsverfahren eingeleitet. „Wir wollen zusammen mit der Bevölkerung die Weichen stellen, und das braucht Zeit“, erklärt Klaußer, warum er das Ende des Gerichtsverfahrens nicht abwarten möchte, um weiterzumachen. Die Stadtwerke wollen aber auch zeigen, dass sie unbeirrt an dem Projekt festhalten.