Im NSU-Untersuchungsausschuss geht es um eine Besuchserlaubnis, die wir im nachfolgenden Foto abbilden. Foto: dpa

Skinhead Rico H. hat, anders als er jetzt vor dem Untersuchungsausschuss in Stuttgart ausgesagt hat, eine Besuchserlaubnis für den inhaftierten Rechtsextremisten Botho Werner beantragt. Die Verbindung der beiden Männer ist brisant. Denn Werner gilt als einer der Waffenbeschaffer des NSU.

Stuttgart - Die Frage des Abgeordneten Alexander Salomon (Grüne) war eindeutig und leicht verständlich: „Haben Sie jemals eine Besuchserlaubnis für Jan Botho Werner beantragt, als der in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg in Untersuchungshaft war?“ Rico H.s Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Nein, niemals!“ Eine Version, bei der der 41-jährige Neonazi auch bei mehrmaligem Nachfragen im Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtages zur mutmaßlichen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) blieb.

Dabei belegt eine unserer Zeitung vorliegende Besuchserlaubnis eines Richters beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vom 17. Januar 2002 das Gegenteil: Für die Verfahrensnummer 3 BJs 22/00-4(9) genehmigte der Richter einen 30-minütigen Besuch „im Beisein von Beamten des LKA Berlin, LKA 514“ ohne Trennscheibe.

Die Verbindung zwischen Rico H. und Jan Botho Werner ist brisant. Der Winnendener Industriemechaniker H. räumte vor den Landtagsabgeordneten ein, etwa seit seinem 16. Lebensjahr Rechtsrockkonzerte zu besuchen. Die Gästeliste seiner jährlichen Geburtstagsfeiern liest sich wie ein VIP-Liste der deutschen Neonazi-Szene: Andreas Graupner und Oliver Hilburger waren Musiker der Rechtsrockgruppe „Noie Werte“, mit deren Musik der NSU eine frühere Version seines Bekennervideos unterlegte. Zu den Partys stießen auch Neonazis aus Chemnitz, Potsdam und Berlin. Zudem lernte H.s frühere Lebensgefährtin die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Beate Zschäpe kennen, als das Duo in den Neunziger Jahren Ludwigsburg besuchte.

Abgeordnete misstrauisch

Werner habe er zuletzt vor drei Jahren bei einem Konzert in Ludwigsburg getroffen, plauderte Rico H. bei den Abgeordneten. Der ehemalige sächsische „Blood & Honour“-Kader gilt als einer der Waffenbeschaffer des Trios, dem der Generalbundesanwalt zur Last legt, zwischen 2001 und 2007 zehn Menschen ermordet zu haben – als letzte im April 2007 in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter.

Zusammenhänge, die Rico H. im Landtag bezweifelte. Der „NSU ist ein Systemmärchen“, erklärte er kategorisch - und ließ die Beweisaufnahme im Verfahren gegen Beate Zschäpe vor dem Oberlandesgericht München dabei gänzlich außer Acht. Für das Geständnis Zschäpes hat er eine ganz eigene Antwort: „Ich möchte nicht wissen, was die (der Staat, die Redaktion) der bezahlt haben.“ Erst auf Nachfrage der Landtagsabgeordneten räumte er ein, dass es „Tote gegeben haben mag“. Immer wieder versicherte H., niemand in seinem Umfeld habe je von einer mordenden Rechtsterrorgruppe gehört. „Auch meine Bekannten macht der NSU stutzig.“

Einige Abgeordnete machten die ausweichenden Antworten des Skinheads misstrauisch. Dieser wurde bei kritischen Nachfragen der Parlamentarier zunehmend lauter. Im Gegenzug zweifelten die Politiker an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Rico H.. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) belehrte ihn mehrfach, dass er vor dem Untersuchungsausschuss – wie vor Gericht – die Wahrheit zu sagen habe. Zumindest bei der Frage nach der Besuchserlaubnis hat Rico H. gelogen.

Er nahm erst Anfang September an einer Veranstaltung der als rechtspopulistisch geltenden Betriebsratsgruppe „Zentrum Automobil“ im Gasthof „Löwen“ in Mainhardt teil. Dort sprach der Ex-Noie-Werte-Musiker Oliver Hilburger. Eine Woche zuvor hatte der AfD-Bundestagskandidat Dirk Spaniel seine Teilnahme an dem Treffen zurückgezogen.