Der Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Terrorzelle NSU tagt im Landtag in Stuttgart. Foto: dpa

Bis heute ist unklar, ob die NSU-Terroristen Unterstützung hatten, als sie die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen. Der Untersuchungsausschuss des Landtags befragt nun einen 49-jährigen Heilbronner: Hatte er Verbindungen in das Umfeld der Terroristen?

Stuttgart - Michael Dangel erklärt gerne die Welt. Zuwanderer sind für ihn „menschliches Strandgut“, Deutschland eine „Weicheirepublik“, der amerikanische Ex-Präsident Obama ein „negrider Parvenue“. „Ohne volklichen und rassischen Identitätskern fällt Deutschland ins Mittelmaß zurück“, warnt der Steuerberater aus Heilbronn auf seiner Homepage. Auch zum Nationalsozialistischen Untergrund, dem zehn Morde und mehrere Sprengstoffanschläge zur Last gelegt werden, hat der 49-Jährige eine Theorie: Kontakte der im Januar 1998 untergetauchten Terroristen zur rechten Szene würden „zusammenphantasiert“, um die Rechte zu diskreditieren. Vom „NSU-Spuk“ ist die Rede.

Das sieht der NSU-Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag anders. Die Abgeordneten haben den rechtsextremen Diplomkaufmann als Zeugen geladen. Bis heute ist unklar, ob Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Unterstützer hatten, als sie im April 2007 in Heilbronn auf die Polizistin Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen schossen. Von Interesse ist für die Parlamentarier deshalb die Aussage eines ehemaligen sächsischen Neonazis. Der lieferte den NSU-Terroristen aus Jena Sprengstoff und half beim Abtauchen in Chemnitz. „Ein gewisser Dangel“ habe ihn in den frühen Neunzigern auf eine Party nach Heilbronn eingeladen, erzählte der frühere V-Mann dem Bundeskriminalamt im August 2012. Mit drei oder vier Autos seien die Chemnitzer Skinheads damals zum Feiern in die Neckarstadt gefahren – darunter Vertraute von Mundlos und Böhnhardt.

Redebeiträge von Hitler sollten die Party aufmischen

Michael Dangel widersprach dieser Darstellung. „Wissentlich hatte ich nie Kontakte zu jemand aus der rechten Szene in Chemnitz“, gab er Stuttgarter LKA-Beamten am 20. November 2013 zu Protokoll. Wie zum Beweis überreichte Dangel den Kriminalern zwei dicke Ordner mit Unterlagen seines politischen Schaffens. Weil ihm die Republikaner zu lasch wurden, gründete Dangel in den Neunzigern eigene Gruppen. Hinter den biederen Namen „Forum 90“ und „Freiheitliche Initiative“ verbargen sich elitäre Zirkel mit enger Anbindung an die Skinhead-Szene und die NPD.

Stets dabei: der Verfassungsschutz. Vertrauliche Dokumente zeigen, wie Geheimdienstler den „nationalsozialistischen Einzelaktivisten“ observierten und bespitzelten. „Für die passende Musik sorgte der selbsternannte DJ Dangel“, heißt es im Bericht einer V-Person vom August 1998. Neben den Neonazi-Bands „Kraftschlag“ und den „Türkenjägern“ habe Dangel zwischen den Liedern „Redebeiträge von Hitler und Goebbels“ abgespielt. Selbst als der Steuerberater aus Gründen der Konspiration einen Geheimbund für seine engsten Vertrauten ausrief, saß ein Informant am Tisch.

Die Kontakte nach Thüringen fallen auf

Hinweise auf Kontakte zu den Chemnitzer Skins finden sich in den Akten jedoch nicht. Ins Auge fallen enge Bande nach Thüringen. Auf einer Kontaktliste von Michael Dangels Weggefährten Martin S. führen gleich 22 Einträge nach Jena. Die Nummer 114 gehört Ralf Wohlleben. Den 42-jährigen Angeklagten bezeichnete der Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten vor wenigen Wochen bei seinem Plädoyer im Münchner NSU-Prozess als „Spiritus Rector“ der Unterstützer. Neben Wohlleben saß seine Verteidigerin Nicole Schneiders aus Pfedelbach. Auch sie nahm in den Neunzigern regelmäßig an den Treffen von Michael Dangel Teil. Wie der heute 45-jährige Michael St., der zum Medizinstudium nach Jena kam und sich der Burschenschaft Normannia anschloss.

Die Linken-Obfrau im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss Katharina König-Preuss sieht die Studentenverbindung als „Bindeglied zwischen rechtskonservativ-nationalistischen Kräften und militanten Neonazis“: „Bei den Normannen waren diverse Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes aktiv. Immer wieder gab es Veranstaltungen und Treffen, an denen beide Organisationen teilnahmen.“ Eine Einschätzung, die sich mit Analysen des Verfassungsschutzes in Erfurt deckt. Der Normanne Michael St. blieb in Jena auch ein Thema, als er wieder in die Heimat zog. Im Oktober 2010 stellten Kriminalpolizisten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen Thüringer Neonazis eine SMS sicher. Der Inhalt: die neue Anschrift des Mediziners in Neudenau bei Heilbronn.