Ein Zeuge gibt zu, im NSU-Prozess gelogen zu haben. Foto: dpa

Normalerweise geben sich Zeugen aus der rechtsextremen Szene im NSU-Prozess sehr wortkarg. Am 202. Verhandlungstag gibt es eine Ausnahme. Ein früherer Freund von Beate Zschäpe und Uwe Mundlos enthüllt sogar echte Neuigkeiten.

München - Ein Jugendfreund der mutmaßlichen NSU-Terroristen hat am Mittwoch als Zeuge im NSU-Prozess freimütig über seine Zeit mit den Dreien ausgesagt. Dabei räumte er ein, auf deren Wunsch einmal vor Gericht falsch ausgesagt zu haben. Angeklagt ist in München wegen der überwiegend rassistisch motivierten Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ und zweier Sprengstoffanschläge Beate Zschäpe; ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind tot.

Kennengelernt habe er Zschäpe Ende der 1980er Jahre, sagte der Zeuge. Er bezeichnete sich als typisches „Wendekind“. In der DDR habe er in der Schule gelernt, dass „das Böse im Westen ist“. Nach dem Ende der DDR sei es „andersrum“ gewesen. „Und da habe ich gedacht, wenn das Linke falsch war, ist wohl das Rechte richtig.“ Auch Zschäpe und Mundlos, die er Anfang der 1990er Jahre als Paar erlebte, seien schon damals „rechts“ gewesen.

Um das Jahr 1995 habe sich die Szene stark radikalisiert. Mundlos habe damit begonnen, den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß als Märtyrer zu verehren. Er selber sei dagegen mehr an Partys interessiert gewesen und habe Mundlos regelmäßig abgesagt, wenn der ihn zu „Schulungen“ oder Demonstrationen haben mitnehmen wollen.

Vor Gericht nach Absprache falsch ausgesagt

Im Jahr darauf hätten ihn Mundlos und Böhnhardt gefragt, ob er bei einer illegalen Aktion als Alibi-Zeuge auftreten könne. Zschäpe sei bei dem Gespräch dabei gewesen. Er habe zugesagt, ohne zu wissen, was die drei geplant hätten. Eines Tages seien sie mit ihm und dem als Unterstützer angeklagten Ralf Wohlleben zu einer Autobahnbrücke gefahren. Dort hätten Mundlos und Böhnhardt eine Puppe mit Judenstern abgeseilt. Wohlleben und er hätten den Tatort mit Absperrkegeln und einem Schild „Vorsicht Bombe“ dekoriert. Die Aktion sorgte damals in Jena für Schlagzeilen. Vor Gericht habe er dann absprachegemäß falsch ausgesagt und behauptet, die Angeklagten seien auf einer Party gewesen.

Mundlos habe ihn später auch mehrfach nach Sprengstoff gefragt. Der Zeuge sagte, er habe geantwortet: „Uwe, wir sind hier doch nicht im Krieg.“ Wenig später sei das Trio in den Untergrund gegangen.

Am Nachmittag unterbrach das Gericht die Vernehmung und kündigte an, den Zeugen noch einmal zu laden. Zschäpe und Wohlleben wirkten während seiner Aussage angeschlagen. Zschäpe verbarg immer wieder ihr Gesicht hinter ihren Haaren. Mit ihren Anwälten sprach sie nur wenig. Die Online-Ausgaben von „Spiegel“ und „FAZ“ veröffentlichten unterdessen weitere Details aus einem gerichtspsychiatrischen Gutachten über Zschäpe. Der Gutachter stelle darin fest, „dass die Fassade des Schweigens allmählich bröckele“.

Wohlleben wurde am Donnerstag erstmals von drei Anwälten betreut. Das Gericht bewilligte ihm auf Antrag einen weiteren Verteidiger.