Hessens Ex-Agent Andreas T.: Auf der Suche nach Gedanken immer gegen die Wand. Foto: dpa

Im Münchener NSU-Verfahren lügen Hessens Geheimagenten wie gedruckt und blockieren, dass der Mord an Halit Yozgat aufgeklärt wird.

München - Irgendwann schweigt auch der wortgewandte Mainzer Rechtsanwalt Volker Hoffmann. Die Schultern des Juristen rutschen nach unten. Ein resignierter Advokat, der für Hessens Verfassungsschützer in München verhindern soll, dass die Dämme brechen. Denn vor der Richterbank des Oberlandesgerichtes sitzt Quelle 389 im Zeugenstand. Und die Geheimen in Wiesbaden haben ihrem Spitzel Benjamin G. nur erlaubt darüber auszusagen, was er mit seinem V-Mann-Führer „Alex“ erlebt hat. „Alex Thomsen“, der eigentlich Andreas T. heißt und 2006 das Kasseler Internet-Café besuchte, als dort Halit Yozgat erschossen wurde.

Es ist sowieso nicht mehr viel, was der Informant aus der rechtsextremen Szene weiß. Erstaunlicherweise ist ihm die Erinnerung daran verloren gegangen, was er im vergangenen Jahr den Ermittlern noch im Detail schildern konnte: Dass sein V-Mann-Führer T. nervös geworden sei, als er von Benjamin G. wenige Tage nach dem Mord auf die Bluttat angesprochen wurde. „Gestottert“ habe Andreas T. da plötzlich. Als der Informant den Agenten „auf die Schießerei hin anschob, hörte der auf einmal auf, mit zu schreiben“. So hatte Benjamin G. seinen Abschöpfer noch nie gesehen.

In dieser Woche erinnert sich G. allenfalls, wenn ihn Richter Manfred Götzl ermahnt, die Wahrheit zu sagen und ihn mit seiner Vernehmung bei der Polizei konfrontiert: „Ich erinnere mich daran, dass ich nichts weiß“, sagt der Gebäudereiniger. Die Stunde seines Zeugenbeistands kommt, als Juristen der Nebenkläger wissen wollen, was denn bei dem Treffen mit zwei hessischen Verfassungsschützern kurz vor der Vernehmung durch das BKA besprochen worden sei. Da habe der „Herr H.“, kann Quelle 389 noch sprudeln, als ihm sein Anwalt ins Wort fällt. Eine Antwort auf diese Frage, giftet der vorbestrafte Jurist, „sei durch die Aussagegenehmigung nicht gedeckt“. So blockiert er in der Folge nahezu alle Fragen.

Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil Herr H. der Geheimschutzbeauftragte der hessischen Geheimen sein dürfte, der dem unter Mordverdacht stehenden Andreas T. empfahl, „so dicht wie möglich an der Wahrheit zu bleiben“ – also intelligent zu lügen. Und H. muss auch darüber Bescheid gewusst habe, dass Benjamin G. nicht nur monatlich bei Hessens Geheimen 225 Euro einsackte, sondern gleichzeitig auch beim Militärischen Abwehrdienst (MAD) der Bundeswehr verdiente – wie G. einräumte: „Verfassungsschutz – MAD – ich dachte, das wäre dasselbe“.

Wieder einmal grätschte Hoffmann zu spät dazwischen. Seine gelegentlichen Verspätungen, erinnert sich Internet-Blogger Jürgen Pohl, brachten dem Mainzer Juristen im Mai eine zur Bewährung ausgesetzte, acht Monate lange Haftstrafe und eine Geldbuße von 100 000 Euro ein. Der Anwalt hatte Holger Pfahls, einst Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Staatssekretär im Verteidigungsministerium und bestechlicher Kumpan des Waffenhändlers Schreiber, geholfen, seine Schmiergelder zu waschen.

Hoffmanns jetzigen Auftritt als Zeugenbeistand in München bezahlte das hessische Landesamt für Verfassungsschutz, also der Steuerzahler. Das Amt hatte Benjamin G. auch schon bei seiner Vernehmung bei der Polizei den windigen Advokaten zur Seite gestellt.

Geld, dass die Verfassungsschützer besser darin investiert hätten, Andreas T. darüber zu informieren, dass er als Zeuge vor Gericht die Wahrheit zu sagen hat. So musste Richter Götzl den Landesbeamten mehrfach ohne Erfolg daran erinnern, die Wahrheit auszusagen. Andreas T. berief sich auf Erinnerungslücken: „Bei der Suche nach meinen Gedanken laufe ich immer wieder gegen eine Wand“, stammelte der Mann, der in Hessen die Verfassung schütze. Bis er in einem Kassler Internet-Café war, als dort Halit Yozgat mit zwei Schüssen ermordet wurde. Warum T. jetzt noch verschweigt, was er gesehen, ist sein Geheimnis. Sinn macht das nur, wenn er sich selbst schützen muss.