Die Verteidigung Beate Zschäpes hat dem Gericht vorgeworfen, einer Entlastungszeugin nicht genug Gehör geschenkt zu haben. Foto: dpa

Beim NSU-Prozess hat die Verteidigung von Beate Zschäpe das Gericht scharf angegriffen. Ihre hochbetagte Nachbarin sei als Entlastungszeugin nicht gebührend berücksichtigt worden.

München - Im NSU-Prozess hat die Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe das Oberlandesgericht (OLG) München und die Bundesanwaltschaft scharf angegriffen. Beide hätten eine frühere Nachbarin Zschäpes als mögliche Entlastungszeugin nicht genügend berücksichtigt. Damit habe das Gericht gegen die „Grundsätze eines fairen Verfahrens“ und Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen, sagte Zschäpes Anwalt Wolfgang Heer am Dienstag. Die alte Frau sei erst als Zeugin ins Auge gefasst worden, als sie geistig nicht mehr zu einer Aussage in der Lage war.

Die Frau hatte einst Wand an Wand mit Zschäpe und den beiden anderen mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Zwickau gelebt. Vor Gericht geht es um die Frage, ob Zschäpe die Nachbarin warnte, als sie am 4. November 2011 in der Fluchtwohnung Feuer legte, nachdem ihre beiden Gefährten sich nach einem gescheiterten Banküberfall das Leben genommen hatten.

Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe deshalb versuchten Mord vor. Es ist der einzige Mordvorwurf gegen den „Nationalsozialistischen Untergrund“, der nicht das NSU-Trio im Ganzen betrifft, sondern allein die Angeklagte. Bei den zehn Morden an Gewerbetreibenden griechischer und türkischer Herkunft und einer Polizistin gelten Böhnhardt und Mundlos als Todesschützen.

Heer verwies in dem Schriftsatz, den er vor Gericht verlas, auf den handschriftlichen Aktenvermerk eines sächsischen Kripo-Ermittlers. Der hatte nach einem Gespräch mit der Nachbarin notiert, Zschäpe habe an deren Tür geklingelt und gesagt: „Verlassen Sie das Haus.“ Erst danach sei sie in die Wohnung des Trios zurückgegangen, wo sie bereits Benzin über den Fußboden gegossen habe.

"Für das Verfahren eine bedeutende Zeugin"

Die Frau sei darum „für das Verfahren eine bedeutende Zeugin“, sagte Heer. Dennoch habe das Gericht länger als ein halbes Jahr gebraucht, um sie als Zeugin anzuhören. Die Verteidigung habe mehrmals darauf hingewiesen, dass aufgrund des Gesundheitszustandes der Frau und ihres schwindenden Gedächtnisses „Beweismittelverlust“ drohe. Dann seien zwei Vernehmungsversuche der nun dementen Frau gescheitert.

Zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kamen die Prozessparteien darüber, wie die Verteidiger-Erklärung zu würdigen sei. Zschäpes zweiter Verteidiger Wolfgang Stahl sagte, seine Mandantin habe sichergehen wollen, dass sich die Nachbarin nicht im Haus befindet. Damit sei die „Mordabsicht schlicht und einfach ausgeräumt“. Nebenkläger Alexander Hoffmann meinte dagegen, dass nunmehr auch „die Zschäpe-Verteidiger davon ausgehen, dass Zschäpe das Haus anzündete“, und zwar „im Wissen, dass sich eine alte Frau darin befindet. Das macht es nicht besser.“

Zuvor hatten BKA-Ermittler über die Hausdurchsuchungen bei zwei weiteren Angeklagten des NSU-Prozesses berichtet. Dabei seien zahlreiche Unterlagen und Computer-Festplatten beschlagnahmt worden. Darauf hätten sich auch die „Turner-Tagebücher“ gefunden, ein Roman, in dem ein Neonazi einen „Rassenkrieg“ beschreibt und der zahlreiche Parallelen zum Vorgehen des NSU enthält.

Auch die Beschaffung der „Ceska“-Mordwaffe bleibt ein Thema im Prozess. Die Verteidigung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben beantragte, einen Zeugen aus Ecuador zu laden. Bei dem Mann handelt sich um einen Schweizer, der früher einen Waffenhandel betrieb und dann auswanderte. Er soll Pistolen dieses Typs an einen Mann in Apolda verkauft haben.