Türkische Medienvertreter sollten nach Ansicht einer klaren Mehrheit der Deutschen Plätze im NSU-Prozess bekommen. 70 Prozent der Befragten finden laut ARD-"Deutschlandtrend", dass auch Journalisten aus der Türkei auf jeden Fall im Gerichtssaal vertreten sein sollten.

Berlin - Türkische Medienvertreter sollten nach Ansicht einer klaren Mehrheit der Deutschen Plätze im NSU-Prozess bekommen. 70 Prozent der Befragten finden laut ARD-"Deutschlandtrend", dass auch Journalisten aus der Türkei auf jeden Fall im Gerichtssaal vertreten sein sollten. Dies müsse das Münchner Oberlandesgericht sicherstellen. Ein Viertel der Befragten ist nicht dieser Ansicht.

Das Gericht war in die Kritik geraten, weil bei der Vergabe der reservierten Presseplätze türkische Medien leer ausgegangen waren. Das Gericht hatte die 50 Plätze nach der Reihenfolge der Anmeldungen vergeben. Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) beginnt am 17. April. Acht von zehn mutmaßlichen NSU-Opfern haben türkische Wurzeln.

Für den ARD-"Deutschlandtrend" wurden am Dienstag und Mittwoch vom Institut Infratest dimap 1002 Wahlberechtigte in Deutschland telefonisch befragt. Die Fehlertoleranz liegt bei 1,4 bis 3,1 Prozentpunkten.

Hoffen auf ein Einlenken

Derweil hofft die Türkische Gemeinde in Deutschland darauf, dass das Gericht im Streit um die Presseplätze noch einlenkt. "Eine Klage gegen die Akkreditierungspraxis könnte den Prozessbeginn verzögern. Das wäre kein gutes Signal", sagte der Vorsitzende Kenan Kolat der "Passauer Neuen Presse", äußerte aber zugleich vollstes Verständnis für einen solchen Schritt. Nordrhein-Westfalens Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) schlug vor, den Prozess in die Münchner Messehalle zu verlegen, um den Streit zu beenden.

Die türkische Zeitung "Sabah" will gegen die Vergabe der Plätze klagen, weil türkische Medien dabei nicht zum Zuge kamen. Dabei will sie sich von dem Medienanwalt Ralf Höcker vertreten lassen. "Wir haben das einem der besten Medienrechtler übergeben, er macht das nun für uns", sagte der stellvertretende Chefredakteur Ismail Erel. Die Platzvergabe verletzte den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht auf Pressefreiheit. Höcker vertritt auch Wettermoderator Jörg Kachelmann in medienrechtlichen Fragen.

"Es ist ein Jahrhundertprozess"

Kolat warf dem Gericht vor, die Bedeutung des Prozesses völlig falsch einzuschätzen. "Es ist ein Jahrhundertprozess in der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist der Justiz offenbar nicht bewusst", sagte er und forderte zugleich Aufklärung über Berichte, wonach deutsche Medien vorab über die Akkreditierung informiert worden seien. Wenn das der Fall zuträfe, wäre das ein weiterer Skandal, sagte Kolat. "Dann muss das gesamte Akkreditierungsverfahren erneut durchgeführt werden."

NRW-Justizminister Kutschaty regte an, einen größeren Verhandlungssaal zu suchen. "Wenn man den Prozess zum Beispiel in die Messehallen verlegen würde, wäre die Grundlage für das bisherige Zulassungsverfahren entfallen und man könnte von vorne anfangen", sagte der SPD-Politiker der "Rheinischen Post". SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz schlug in der "Berliner Zeitung" vor, zehn der normalen Zuschauerplätze an ausländische Journalisten zu vergeben.