Der NSU hatte vielfältige Kontakte nach Baden-Württemberg – ein Untersuchungsausschuss des Landtags versucht Details herauszufinden. Foto: dpa

Wer hat das mörderische NSU-Trio über Jahre hinweg unterstützt? In seiner 15. Sitzung an diesem Montag befragt der Untersuchungsausschuss des Landtags weitere Zeugen.

Stuttgart - Die Verfassungsschützer ließen die „Zielperson 1“ nicht aus den Augen. Tagelang folgten sie dem Neonazi Andreas Graupner im März 2000 durch Chemnitzer Straßen. „Im Supermarkt arbeitet er in der Leergutannahme“, notierten die sächsischen Geheimdienstler in ihren Observationsbericht zur „Operation Terzett“. Auf dem Heimweg habe er sich „auffällig konspirativ“ verhalten, heißt es in dem vertraulichen Papier. „Er schaut sich beim Gehen öfters um und wartet an der Kreuzung Eckstraße/Nordstraße in einem dunklen Seitenbereich“. Doch so detailliert ihre Beobachtungen auch waren – sie führten die Beamten nicht zu Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Im Januar 1998 waren die heute als NSU-Terroristen bekannten Jenaer abgetaucht. Zwei Jahre später kam ein Tipp vom Thüringer Verfassungsschutz: „Den Dreien“ gehe es gut, habe der Skinhead Andreas Graupner am Rande eines NPD-Treffens in einer Jugendherberge in Eisenberg erzählt.

„Bin ich nie begegnet“

Die Spur des von der Bildfläche verschwundenen Trios führe in die Chemnitzer Szene, schlussfolgerten sächsische Beamte. Zu recht, wie man heute weiß. In einer ersten Phase versteckten sich die Untergrundkämpfer bei Kameraden im Plattenbau-Gebiet „Fritz Heckert“. Dass man sie dort trotz umfangreicher Observationen und zahlreicher Spitzel nicht aufspürte, zählt zu den Mysterien des NSU-Komplexes. Auch der vermeintliche Hinweis von Andreas Graupner sorgt für offene Fragen. „Ich habe nie gesagt, dass es den Dreien gut geht“, insistierte der heute 43-Jährige in einer Vernehmung beim BKA: „Denen bin ich nie begegnet“. Auch vor dem Münchner Oberlandesgericht bestritt der Mechaniker Kontakte zu den Abgetauchten.

Gitarrist von „Noie Werte“

Aussagen, die der NSU-Untersuchungsausschuss im Stuttgarter Landtag am Montag überprüfen will. Neben dem Chemnitzer Mundlos-Freund Hendrik Lasch, der Szene-Feiern in Baden-Württemberg besuchte, ist Graupner als Zeuge geladen. Der ließ weniger als ein Jahr nach der „Operation Terzett“ seine Heimat am Erzgebirge hinter sich und zog nach Althütte-Sechselberg im Rems-Murr-Kreis. Dort wurde er Mitglied der Stuttgarter Neonazi-Band „Noie Werte“. Ausgerechnet mit deren Liedern „Kraft für Deutschland“ und „Am Puls der Zeit“ unterlegte der NSU eine erste Version seines zynischen Bekennervideos. Brisant ist auch ein Handy, das in den Akten als Asservat 22.1.3.8.2.2. auftaucht. Es gehört dem sächsischen Neonazi André Eminger, der als engster Vertrauter des NSU-Trios gilt. Im September forderte die Bundesanwaltschaft im Münchner Prozess 12 Jahre Haft für Eminger. In seinem Telefonspeicher: die Nummer von Andreas Graupner, den in der Szene alle „Mucke“ nennen.

Handynummern-Tausch

Kontakte, die der ehemalige „Noie Werte“-Gitarrist gegenüber BKA-Ermittlern relativierte: „Damals wurden die Handynummern munter hin und her getauscht“. „Bis an die 300 Leute“ hätten seine Nummer gehabt.

Ob sich die Abgeordneten damit abspeisen lassen, bleibt abzuwarten.

Auskunft wird „Mucke“ auch über seine Freundschaft zum Sachsen Jan Botho Werner geben müssen. Den 42-Jährigen hatte der Ausschuss für Montag ebenfalls als Zeugen geladen. Die Antwort kam prompt: „Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich nicht vorhabe, eine Aussage zu machen! Ich verweigere hiermit eine Aussage!!“. Das teilte Werner dem Landtagsgremium schriftlich mit. Dazu hat der Kraftfahrer ein Recht, da er seit Januar 2012 Beschuldigter in einem weiteren NSU-Verfahren ist.

Als Chef der „Blood & Honour Sektion Sachsen“ soll Werner bereits 1998 den Auftrag gehabt haben, dem flüchtigen Trio Waffen zu beschaffen. Mit Graupner war Werner damals in der Chemnitzer Skinheadszene aktiv. Auch ihn hatten die Geheimdienstler im Visier, als sie im Rahmen der „Operation Terzett“ nach Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt suchten. Und auch er kam einige Jahre später ins Ländle. Jan Werner zog zu seiner damaligen Freundin, einer Besigheimer Gerichtsvollzieherin.