Vor acht Jahren wurde Michèle Kiesewetter auf der Theresienwiese in Heilbronn erschossen. Jetzt fand eine Ortsbesichtigung statt. Foto: dpa

Vor acht Jahren wurde auf der Heilbronner Theresienwiese die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen. Ihr Tod wurde nie komplett aufgeklärt. Nun machen sich die Mitglieder des NSU-Ausschusses persönlich ein Bild vom Tatort. Und halten mit einer Gedenkminute inne.

Heilbronn - Acht Jahre nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter will der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags etwas mehr Licht in das rätselhafte Verbrechen bringen. Wegen widersprüchlicher Zeugenaussagen ist das aber keine leichte Aufgabe, wie am Montag bei einem Besuch des Ausschusses am Tatort in Heilbronn deutlich wurde. Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) äußerte die Hoffnung, dass sich möglicherweise noch Zeugen melden, die bislang keine Angaben bei der Polizei gemacht haben und etwas mehr Klarheit in den schwierigen Komplex bringen könnten.

Die Abgeordneten ließen sich die Ereignisse vom 25. April 2007 auf der Theresienwiese - einem großen Festplatz nahe der Innenstadt - erläutern. Zunächst erinnerte der Ausschuss mit einer Schweigeminute an die zehn Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU. Drexler versprach, der Landtag werde alles tun, um das Geschehen aufzuklären und gegebenenfalls auch die Arbeitsbedingungen bei Polizei und Justiz zu verbessern, damit sich solche Taten nicht wiederholten.

Der Ausschuss untersucht die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg und mögliches Behördenversagen im Südwesten. Den Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde zugerechnet - an neun Migranten und an Kiesewetter. Die Polizistin und ihr Kollege hatten am 25. April 2007 in ihrem Streifenwagen Pause auf der Theresienwiese gemacht. Die Täter gaben aus kurzer Entfernung Kopfschüsse auf die Beamten ab. Kiesewetter starb - ihr Kollege überlebte, hat aber keine Erinnerungen an die Tat.

Terrortrio gilt als Mördertrio

Für die Bundesanwaltschaft sind die früheren Mitglieder des rechtsextremen Terrortrios NSU, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, Kiesewetters Mörder. Die genauen Umstände und vor allem das Motiv der Tat sind aber immer wieder Gegenstand von Spekulationen.

Drexler verwies auf widersprüchliche Angaben von Zeugen. „Es gibt kaum Zeugenaussagen, die miteinander vereinbar sind.“ Vermutlich müsse sich auch der Ausschuss irgendwann entscheiden, wem man mehr und wem weniger glaube. Zu Spekulationen, wonach mehr als zwei Täter an der Ermordung Kiesewetters beteiligt gewesen sein könnte, meinte Drexler: „Es gibt Zeugen, die von drei Männern gesprochen haben. Aber das ist eine schwierige Frage.“ Auch zur Annahme, dass Kiesewetter kein Zufallsopfer des NSU war, sondern gezielt ausgewählt worden sein könnte, wollte sich Drexler noch nicht im Detail äußern.

Der CDU-Obmann Matthias Pröfrock sagte, wenn es dem Ausschuss gelinge, Spekulationen im Fall Kiesewetter auszuräumen, wäre das schon ein Erfolg. Grünen-Obmann Jürgen Filius sprach von einer „Herkulesaufgabe“, die der Ausschuss zu bewältigen habe. SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou bedauerte, dass der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags auf eine Besuch in Heilbronn verzichtete. Denn vor Ort erhielten die Zeugenaussagen mitunter ein ganz anderes Gewicht als in den Akten, da Zeugen-Standorte beispielsweise weiter vom Tatort entfernt lägen als gedacht. Auch FDP-Obmann Ulrich Goll meinte: „Die Mehrtäter-Theorie basiert bislang auf fragwürdigen Zeugenaussagen.“

Der Ausschuss wird sich voraussichtlich mehrere Wochen, wenn nicht Monate, mit dem Fall Kiesewetter beschäftigen. Ob dabei wirklich alle Zeugen noch einmal befragt werden, ist aber noch offen.