Einige der 204 derzeitigen Bewohner der Sporthalle des Solitude-Gymnasiums wollen lieber bleiben als in Container ziehen zu müssen. Foto: Martin Braun

204 geflüchtete Menschen leben derzeit unter schwierigen Bedingungen in der Sporthalle des Solitude-Gymnasiums. Nun hat das Sozialamt angekündigt, dass die Notunterkunft aufgegeben wird. 160 Flüchtlinge sollen in Container nach Degerloch ziehen – doch damit sind nicht alle einverstanden.

Weilimdorf - Seit Oktober wird die Sporthalle des Solitude-Gymnasiums als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt. Momentan leben dort 204 Personen, darunter viele Familien mit Kindern. Nun hat das Sozialamt mitgeteilt, dass die Halle geräumt wird: Anfang kommender Woche sollen die Flüchtlinge umziehen, sagt Stefan Spatz, Leiter des Sozialamts. „Wir planen nicht, die Halle wieder zu belegen.“ 44 Flüchtlinge würden auf verschiedene Unterkünfte in Stuttgart verteilt, 160 der derzeitigen Bewohner der Sporthalle am Spechtweg sollen nach Degerloch in einen Containerbau auf der Waldau ziehen.

Dass die Sporthalle nicht länger als Notunterkunft gebraucht wird, ist für die Weilimdorfer Schüler und Sportvereine eine gute Nachricht. Und angesichts der schwierigen Umstände unter denen die Menschen dort zusammenleben, sollte man meinen, dass sich die Bewohner auch darüber freuen. Schließlich gibt es dort kaum Privatsphäre, es ist laut und nie richtig dunkel in der Halle. Das setze den Leuten zu, sagt Roia Sabori: „Die meisten Menschen hier können nachts nicht schlafen.“ Sabori ist seit Monaten als ehrenamtliche Übersetzerin vor Ort im Einsatz. Sie erzählt von einer afghanischen Familie, die vor einigen Tagen freiwillig in die Heimat zurückgegangen ist, da sie es in der Notunterkunft nicht mehr ausgehalten habe. Jawaad, der Sohn der Familie, sei am Frankfurter Flughafen ausgerissen, weil er nicht nach Afghanistan zurück wollte. Nun lebt der 19-Jährige allein am Spechtweg.

Die Kinder sind inzwischen in Schulen und Vereinen integriert

Dort sind aber nicht alle Menschen mit den Umzugsplänen des Sozialamts einverstanden. Trotz der widrigen Lebensumstände in der Sporthalle sagen einige Bewohner, dass sie lieber in der Notunterkunft bleiben wollen als nach Degerloch zu gehen. Sie können nicht verstehen, warum sie in Container ziehen sollen, während andere Flüchtlinge in Systembauten untergebracht werden. Viele Familien kritisieren, dass ihre Kinder, die mittlerweile in Weilimdorf eingeschult und in Sportvereinen integriert wurden, wieder aus ihrem Umfeld gerissen werden. Zudem seien die Container nicht für Familien mit drei oder mehr Kindern geeignet, weil die Zimmer dort, anders als in den Systembauten, keine Verbindungstüren hätten.

Einer derer, die nicht in die Container ziehen möchten, ist Said Gull Zahori. Den Afghanen, der seit Januar mit seiner Frau und drei Kindern in der Spechtweghalle untergebracht ist, treibt aber nicht nur der bevorstehende Umzug um: Eigentlich hat das Paar sieben Kinder, die Heimat haben sie wegen der Taliban verlassen, erzählt Zahori. Auf der Flucht wurde die Familie aber getrennt. Nun leben die 25-jährige Tochter und drei Söhne im Alter von 17, zwölf und elf Jahren im griechischen Flüchtlingscamp Schisto. Die Kinder können nicht nach Deutschland einreisen, Kontakt hält die Familie übers Telefon. „Wenn wir telefonieren, weine ich hier und meine Kinder weinen in Griechenland“, sagt Zahori.

Ein anderer Bewohner der Sporthalle sagt, er wolle in Degerloch nicht wieder bei Null anfangen, nachdem er erst drei Monate in Karlsruhe, weitere drei Monate in Heidelberg und nun vier Monate in Weilimdorf untergebracht worden sei. Roia Sabori ergänzt, dass die Probleme der Bewohner vielschichtig seien und in der Notunterkunft auch zu Reibereien geführt hätten. Viele hätten die vergangenen Monate in der Sporthalle in der Hoffnung durchgehalten, anschließend in Systembauten oder Wohnungen verlegt zu werden.

Das Sozialamt hat nicht genügend Plätze in der Nähe

Die Wünsche der Leute seien nach Möglichkeit berücksichtigt worden, betont Spatz. „Wo es geht, werden Familien in Weilimdorf bleiben können.“ Allerdings sei es eben auch ein dringliches Anliegen der Stadt, die Sporthalle schnellstmöglich wieder für ihren ursprünglichen Zweck freizubekommen. „Wir können die Menschen nur dort unterbekommen, wo durch Fluktuation etwas frei wird oder wo neue Plätze geschaffen werden.“ Da in Weilimdorf in nächster Zeit keine neuen Unterkünfte eröffnet würden, könne eben nur ein Teil der 204 in der Spechtweghalle lebenden Menschen im Bezirk bleiben. Aber auch die Containerbauten seien eine ganz gute Unterbringungsform.

Auch die ehrenamtlichen Helfer vom Weilimdorfer Flüchtlingskreis fänden es gut, wenn die Flüchtlinge im Bezirk bleiben könnten, sagt der Sprecher Werner Bossert. Allerdings reiche der Platz im Bezirk nicht für alle 204 Bewohner der Notunterkunft. Am Samstagnachmittag veranstaltet der Flüchtlingskreis ein Abschiedsfest in der Sporthalle mit Musik und gemeinsamem Essen. „Ich bin froh, dass die Leute dort rauskommen“, sagt Bossert. Zum einen, weil die Menschen in den Containern viel mehr Privatsphäre hätten. Zum anderen freue er sich aber auch für die Schüler und Sportvereine in Weilimdorf, dass die Halle wieder verfügbar werde.