Am Sonntag beziehen 92 Flüchtlinge in Neuenstadt am Kocher ein temporäres Zeltlager. Die Flüchtlinge wurden von der überfüllten Erstaufnahmestelle in Ellwangen in das Lager gebracht. Foto: dpa

In Neuenstadt am Kocher nahe Heilbronn sind 92 Flüchtlinge in ein provisorisches Zeltlager an der A81 gezogen. Die Zelte stehen auf dem Gelände der ehemaligen Autobahnmeisterei. Die Unterbringung ist ein „letzten Notnagel“, man wollte die Kapazität von insgesamt 200 Plätzen nicht ausschöpfen.

Neuenstadt am Kocher - Erbarmungslos brennt die Sonne auf die 40 weißen Zelte, die auf dem Gelände der ehemaligen Autobahnmeisterei in Neuenstadt am Kocher aufgestellt wurden. Es ist Sonntagnachmittag. Eben sind zwei Reisebusse mit 92 Flüchtlingen angekommen. Sie wurden aus der überfüllten Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen (Ostalbkreis) nach Neuenstadt gebracht und sollen in dem provisorischen Zeltlager nur für ein paar Tage Unterkunft finden.

Einer von ihnen ist Mohammed aus Syrien. Vor fünf Tagen ist der Jurastudent in Deutschland angekommen, er hat eine gefährliche Flucht mit einem Boot hinter sich. Gefällt es ihm hier? Skeptisch blickt Mohammed auf die Zelte. „Es ist okay“, sagt er. Er sei einfach nur froh, in Deutschland zu sein - in Sicherheit.

Tristesse in heruntergekommenen Räumen

Es ist okay, es ist Deutschland, wir sind in Sicherheit, lautet der Tenor der Flüchtlinge, die sich mit ihren wenigen Habseligkeiten in den überhitzten Zelten einrichten. Doch das umzäunte Grundstück an der Autobahn 81 von Würzburg nach Stuttgart verströmt vor allem eines: Tristesse. In jedem Zelt stehen sechs Doppelstockbetten, ein karger Willkommensbeutel wartet auf die Flüchtlinge: Klopapier, Zahnbürste, ein Stück Seife, eine kleine Tube Zahnpasta, das muss reichen. In einem der heruntergekommenen Räume der seit fast drei Jahren leerstehenden Autobahnmeisterei wurde eine provisorische Küche aufgebaut. Gegessen wird in einer überdachten Halle, die an einer Seite offen ist.

Der Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen, Berthold Weiß, bezeichnet das Zeltlager in Neuenstadt als „letzten Notnagel“. Zwar könnten hier 200 Menschen untergebracht werden, doch man wolle dieses Potenzial nicht ausschöpfen. „Es geht hier um eine Notunterkunft“, betont Weiß. In den vergangenen Tagen seien weniger neue Flüchtlinge nach Baden-Württemberg gekommen als erwartet. Er hoffe daher, dass keine weiteren Flüchtlinge nach Neuenstadt geschickt werden müssten. Die Asylbewerber, die jetzt dort untergebracht worden seien, sollten nach Möglichkeit schon in wenigen Tagen zurück nach Ellwangen geholt werden.

Situation in Ellwangen etwas entspannt

Weiß ist einfach nur froh, dass sich die Situation in Ellwangen durch das provisorische Zeltlager etwas entspannt hat. Dort sollten ursprünglich 1000 Asylbewerber unterkommen, derzeit sind es 1600. Alle Zimmer in der Erstaufnahmeeinrichtung seien voll belegt, sagt Weiß. „Wir sind jetzt an der Grenze angelangt, wir haben alles ausgereizt.“ Selbst in den Raum für die Kinderbetreuung habe man Betten stellen müssen - und das, obwohl es sehr viele Familien in der LEA gebe. Ab Montag könnten in dem Raum wieder Kinder spielen.

In Neuenstadt werden lediglich Männer untergebracht, keine Frauen und Kinder. Sie stammen überwiegend aus Syrien, Pakistan, Indien und dem Westbalkan. Die Unterbringung in Zelten sei „suboptimal“, räumt eine Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart ein. Man hoffe auf neue Liegenschaften, um die Asylbewerber würdig unterzubringen. Doch die Flüchtlingsströme reißen nicht ab, und Land und Kommunen haben immer größere Probleme, geeignete Unterkünfte zu finden. Wenn das Provisorium in Neuenstadt wieder leer steht, werden die Zelte daher auch nicht abgebaut, sondern bleiben für den Notfall stehen.