Der Rettungsdienst in Stuttgart hat im vergangenen Jahr die gesetzlichen Vorgaben erfüllt – auch mit Hilfe von zweckentfremdeten Krankentransportwagen. Die fehlen anderswo. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

In Stuttgart müssen Patienten oft stundenlang auf einen Krankentransport warten. Das liegt offenbar auch daran, dass die Fahrzeuge häufig im Rettungsdienst aushelfen müssen. Das wird für die Patienten jetzt auch finanziell zum Problem.

Stuttgart - Wer sich in einer medizinischen Notsituation befindet, braucht einen Rettungswagen. Und er achtet in diesem Moment nicht darauf, was für ein Fahrzeug da genau auftaucht, um zu helfen. Hauptsache, die Retter sind da. In Stuttgart allerdings ist es nicht unwahrscheinlich, dass nach einem Notruf gar kein Rettungswagen kommt, sondern ein Krankentransportwagen (KTW). Die sind eigentlich dazu da, entlassene Patienten aus dem Krankenhaus abzuholen, schwer kranke Dialysepatienten in die Arztpraxis zu fahren und sämtliche sonstige Fahrten zu übernehmen, in denen Patienten aus gesundheitlichen Gründen kein Taxi nehmen können, es sich aber um keinen medizinischen Notfall handelt.

Bei diesen KTW kommt es immer wieder zu enormen Wartezeiten. Patienten und Kliniken haben nach unserer Berichterstattung in den vergangenen Wochen in Einzelfällen über sechs oder mehr Stunden berichtet, zum Teil bis in die Nacht. Nun wird auch klarer, warum das so ist: Besonders private Anbieter beklagen, dass ihre KTW immer wieder von der Leitstelle für Notfälle angefordert werden, wenn gerade kein Rettungswagen greifbar ist. So erfüllt die Notfallrettung zwar die gesetzlichen Vorgaben, die KTW fehlen aber für ihre eigentliche Aufgabe.

„Für uns ist es selbstverständlich, dass wir zur Abdeckung von Spitzen in der Notfallrettung auch unsere privat finanzierten Krankentransportwagen einsetzen“, sagt Tobias Strohbach. Der Geschäftsführer des großen privaten Anbieters KTS Krankentransport Stuttgart GmbH beklagt aber wie Kollegen, dass dieses Einspringen in der Notfallrettung immer häufiger wird. So seien allein seine Fahrzeuge im zweiten Halbjahr 2016 zu 550 Notfällen ausgerückt, für die sie eigentlich gar nicht zuständig waren. Über die vergangenen Jahre kommt Strohbach auf rund 4000 Rettungsdienst-Einsätze.

264 Patienten bekommen Privatrechnung

Die aber werfen nicht nur das Problem auf, dass die Fahrzeuge für ihre eigentliche Aufgabe fehlen. Denn es gibt auch eine Finanzierungslücke. Anders als in anderen Bundesländern bekommen die privaten Krankentransport-Unternehmen dieses Aushelfen von den Krankenkassen nämlich nicht finanziell erstattet. Stattdessen müssen sie in Stuttgart sogar noch eine Gebühr an die Leitstelle bezahlen. „Was für uns als selbstverständliche Unterstützung des Stuttgarter Rettungsdienstes begonnen hat, ist deshalb nun zu einem zunehmenden wirtschaftlichen Problem geworden. Es geht um unsere Existenz“, sagt Strohbach.

Die KTS sieht sich deshalb nach eigenen Aussagen jetzt dazu gezwungen, an 264 Patienten, bei denen ein Rettungseinsatz notwendig war, Privatrechnungen für die Fahrten zu verschicken. „Wir bedauern sehr, dass wir so weit gehen müssen“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens. Ob die Betroffenen eine Chance haben, das Geld von ihren Krankenkassen wiederzubekommen, ist völlig offen. Experten gehen davon aus, dass es im Zweifel zur Entscheidung eines Gerichts kommen könnte.

Der Ministerpräsident soll einschreiten

Zuvor hat die KTS versucht, in Gesprächen mit den Krankenkassen und dem Innenministerium eine Lösung zu finden. „Es hat sich leider gezeigt, dass dort keine Bereitschaft zu einer Problemlösung besteht“, heißt es in einem offen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Mit diesem Schreiben hofft das Unternehmen, doch noch einen Weg zu finden, die Aushilfseinsätze vergütet zu bekommen und damit den Patienten keine Privatrechnungen mehr schreiben zu müssen.

Dass sich die Lage entspannt, ist indes nicht zu erwarten. Die Zahl der Notfalleinsätze ist in Stuttgart wie im Land in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. In der Landeshauptstadt sind deswegen seit kurzem zwei zusätzliche Rettungswagen und ein weiterer Notarzt unterwegs. Dennoch kratzt man immer wieder an den gesetzlichen Vorgaben. „Wir müssen im Sinne der Patienten einen Puffer schaffen“, sagt Stadtdirektor und Feuerwehrchef Frank Knödler. Offenbar tragen zu dem auch die Krankentransportwagen bei.