Der Rettungsdienst in Baden-Württemberg hat immer wieder mit Problemen zu kämpfen – Ärzte fordern jetzt eine deutlich weitergehende Reform als die vom Innenministerium geplante Foto: dpa

Die Landesregierung will im Frühjahr ein neues Rettungsdienstgesetz auf den Weg bringen. Verändert werden sollen unter anderem die Hilfsfristen, die besagen, wann die Retter am Einsatzort sein müssen. Ärzteverbände und Rettungsexperten sehen das skeptisch.

Stuttgart - Die Notfallrettung im Land hat immer wieder gegen Negativschlagzeilen zu kämpfen. Vor Jahren kamen die Retter in Stuttgart zu oft zu spät, jüngst hat ein ähnlicher Skandal die Stadt Mannheim erschüttert. In vielen Regionen dauert es nach wie vor viel zu lang, bis Notarzt oder Rettungswagen am Einsatzort sind. Das Land plant jetzt ein neues Rettungsdienstgesetz. „Ziel ist, dass es noch in dieser Legislaturperiode in Kraft tritt“, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Damit müsste das Gesetzgebungsverfahren spätestens im Frühjahr eingeleitet werden.

Geändert werden soll eine ganze Reihe von Punkten. Das neu eingeführte Berufsbild des Notfallsanitäters muss eingebaut werden. Außerdem könnte ein sogenannter Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, den viele Experten bereits seit langem fordern, Eingang finden. Er könnte in jeder Region als übergeordnete Instanz die Qualität der Notfallrettung überprüfen. Außerdem will man die Einflussmöglichkeiten der Rechtsaufsicht, also der Städte und Landkreise, stärken, um Fehlentwicklungen vorzubeugen.

Zentraler Punkt ist die Änderung der Hilfsfrist. „Da wollen wir eine klarere Regelung hinbekommen“, sagt Hermann Schröder, der zuständige Landesbranddirektor. Bisher gilt für Notarzt wie Rettungswagen eine gesetzlich vorgeschriebene Eintreffzeit von zehn, in Ausnahmefällen 15 Minuten. Diese schwammige Formulierung führt dazu, dass regelmäßig die 15-Minuten-Frist für Auswertungen herangezogen wird.

„Künftig wollen wir zwei Stufen einführen“, sagt Schröder. Demnach soll das erste Rettungsmittel, im Normalfall der Rettungswagen, innerhalb von zwölf Minuten da sein müssen. Der Notarzt soll dann binnen 18 Minuten vor Ort sein. „Das erste Rettungsmittel stellt das Überleben des Patienten sicher, deshalb darf das zweite etwas länger brauchen“, so Schröder.

Experten kritisieren diese geplante Änderung scharf. „Da wird nur herumgedoktert, anstatt etwas zu verbessern“, sagt ein Fachmann vom Forum Notfallrettung Stuttgart. Auch die Ärzteschaft ist alles andere als begeistert. Die Landesärztekammer hat die neue Hilfsfrist bereits scharf abgelehnt, weil sie „aus unserer Sicht nicht tragbar ist“. Sie fordert stattdessen eine bessere finanzielle Ausstattung des Rettungsdienstes.

Eduard Kehrberger, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft südwestdeutscher Notärzte, sieht die geplante Regelung als „sehr grenzwertig“ an. Besonders die 18 Minuten für den Notarzt seien nicht sinnvoll: „Dann ist es für eine Reanimation viel zu spät.“ Die Zweiteilung generell könne man aber diskutieren. Auch der Ärztliche Leiter Rettungsdienst entspreche „einer alten Forderung von uns, die wir für wichtiger denn je halten.“

Eine grundsätzliche Änderung des Rettungssystems in Baden-Württemberg lehnt das Innenministerium ab. Im Land gilt das sogenannte Selbstverwaltungsprinzip. In jedem der 37 Rettungsdienstbereiche verhandelt ein Bereichsausschuss darüber, wie viel Geld für die Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung steht. Dieser Ausschuss ist zu gleichen Teilen mit Vertretern der Rettungsorganisationen und der Krankenkassen besetzt. Dieses System stellt für viele Experten ein Problem dar, das die Grundlage der ständigen Schwierigkeiten der Notfallrettung bildet. In anderen Bundesländern entscheiden Kommunen und Kreise darüber, was notwendig ist. „Von der Selbstverwaltung werden wir nicht so schnell wegkommen. Sie funktioniert“, sagt Schröder.

Das sieht Kehrberger anders. „Die Vorstellung, dass in Baden-Württemberg die öffentliche Hand keinerlei Zugriff hat im Bereich der existenziellen Daseinsvorsorge, ist für uns schwer verständlich“, sagt er und geht noch einen Schritt weiter: „In der Selbstverwaltung unterliegt man dem Diktat der Krankenkassen.“ Auch der Experte vom Forum Notfallrettung bekräftigt diese Ansicht: „Man sieht in Baden-Württemberg seit Jahren, dass die Selbstverwaltung nicht klappt. Kaum irgendwo werden die Hilfsfristen eingehalten. Man braucht eine echte Reform, anstatt einfach weiterzumachen.“

Die aber wird es zumindest nach jetzigem Stand nicht geben. Stattdessen steht in den Augen vieler Fachleute sogar ein Schritt zurück bevor. Allerdings räumt Schröder ein: „Wir werden versuchen, Einigung mit unseren Partnern zu erzielen.“

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