Die Teilchenforscher Takaaki Kajita aus Japan und Arthur McDonald aus Kanada sind mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Foto: TT NEWS AGENCY

Die Erde wird beständig von Neutrinos aus dem All bombardiert. Diese Teilchen haben keine Masse, glaubten Forscher jahrzehntelang. Zwei Physiker bewiesen das Gegenteil - und erhalten dafür den Nobelpreis.

Stockholm - Für fundamentale Erkenntnisse zum Standardmodell der Teilchenphysik erhalten der Japaner Takaaki Kajita (56) und der Kanadier Arthur McDonald (72) den Physik-Nobelpreis. Sie hätten die jahrzehntelange Annahme widerlegt, dass Neutrinos masselos seien, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit. Die höchste Auszeichnung für Physiker ist mit umgerechnet etwa 850 000 Euro (8 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Neutrinos sind elektrisch neutrale Elementarteilchen. Die Ergebnisse der beiden Wissenschaftler seien der Schlüssel für die Experimente gewesen, bei denen gezeigt wurde, dass Neutrinos ihre Zustände verändern können, hieß es in der Begründung. Diese Metamorphosen wiederum seien ohne Masse nicht möglich.

„Wir sind natürlich sehr zufrieden, dass wir dem Wissen der Welt in der Physik etwas auf einem sehr grundlegenden Level hinzufügen konnten“, sagte McDonald in einer ersten Reaktion - auch wenn die Erfahrung gerade etwas „einschüchternd“ sei. Was er mit dem Preisgeld mache, wisse er noch nicht.

„Jede Sekunde passieren Milliarden von Neutrinos unseren Körper“, sagte Nobeljurorin Olga Botner. Nach den Lichtteilchen, den Photonen, sind die Neutrinos die am zahlreichsten vorkommenden Teilchen des Universums. Die Erde wird beständig mit ihnen bombardiert. Viele dieser Neutrinos entstehen bei Reaktionen der kosmischen Strahlung mit der Atmosphäre, andere bei den Kernreaktionen in der Sonne.

Takaaki Kajita erkannte, dass Neutrinos aus der Erdatmosphäre auf dem Weg zum Super-Kamiokande-Teilchendetektor in Japan ihre Zustände wechseln. Zur gleichen Zeit zeigte McDonalds Forschergruppe an der Queen’s University in Kingston, dass von der Sonne kommende Neutrinos auf dem Weg zur Erde nicht verschwinden: Stattdessen wurden sie am Sudbury-Neutrino-Observatorium (SNO) mit einer anderen Identität erfasst.

Das Phänomen, dass Neutrinos ihre Identität wechseln können, wird Neutrino-Oszillation genannt: Die drei Sorten - Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino - wandeln sich spontan ineinander um. Überraschend war diese Entdeckung vor allem, weil solche Oszillationen nur möglich sind, wenn Neutrinos eine Masse haben. Im Standardmodell der Teilchenphysik aber wurden die Teilchen bis dahin als masselos angenommen. Mit den Entdeckungen wurde klar, dass das Modell offensichtlich noch nicht komplett ist. „Die Entdeckung hat unser Verständnis von den innersten Materie-Vorgängen verändert und kann für unsere Sicht auf das Universum entscheidend sein“, hieß es von der Akademie.

Die Überreichung findet am 10. Dezember statt

„Für mich war das nur eine Frage der Zeit“, sagte Manfred Lindner vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg zur Entscheidung der Juroren. Von den beiden Preisträgern hält er nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht viel: „Beide sind sehr umgängliche Menschen ohne Starallüren.“ Auch am Dienstag betonte McDonald direkt die Leistung seines Teams: „Mit dieser Arbeit ist ein großer Kameradschaftsgeist verbunden“, sagte er.

Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel. McDonald freute sich bereits sehr auf den Termin: „Stockholm ist eine meiner Lieblingsstädte.“ Auch Kajita werde zur Vergabe kommen, hieß es von der Wissenschafts-Akademie. Der Neutrinoexperimente ist Professor an der Universität Tokio und Direktor des Instituts für Kosmische Strahlungsforschung (ICRR).

Im vergangenen Jahr hatten die gebürtigen Japaner Isamu Akasaki, Hiroshi Amano und Shuji Nakamura den Physik-Nobelpreis für die Entwicklung blau leuchtender Dioden erhalten. Diese ermöglichen helle und energiesparende Lichtquellen.

Am Montag war der diesjährige Medizin-Nobelpreis an die Chinesin Youyou Tu, den gebürtigen Iren William Campbell und den Japaner Satoshi Omura gegangen. Die drei Forscher haben effektive Wirkstoffe gegen Parasiten-Infektionen wie Malaria und Flussblindheit entdeckt.