Fantasy, USA 2014. 138 Minuten Foto:  

Das Filmwunderkind Darren Aronofsky hat sich am großen Menschheitsmythos des Schöpfungsretters Noah versucht. Ein schwieriger Stoff, denn im Publikum prallen Welten aufeinander – und Aronofsky landet mit seinem künstlerischen Kompromiss zwischen den Stühlen.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Noah"

Stuttgart - Es gibt Streit um diesen Film, und wo Kultur Diskussionen anstößt, hat sie manchmal einen Nerv getroffen. Ob Darren Aronofsky („Black Swan“, „The Wrestler“) das gelingt, bleibt zweifelhaft. Er erzählt die alttestamentarische Variante einer Geschichte, die auch in sumerischen und babylonischen Quellen steht sowie im Koran: Gott straft die sündigen Menschen mit der Sintflut und verschont nur den frommen Noah mit dem Auftrag, in einer Arche die Tiere zu retten.

Ein schwieriger Stoff, denn im Publikum prallen Welten aufeinander – und Aronofsky landet mit seinem künstlerischen Kompromiss zwischen den Stühlen. Wer für bare Münze nimmt, was im ersten Buch Mose steht, kann sich an der apokalyptischen Fantasy-Anmutung stören, an der konsequenten Vermeidung des Wortes „Gott“ zugunsten des neutraleren „Schöpfers“, an dem religiösen Wahn, dem Noah anheimfällt; denjenigen, die die Bibel für ein Märchenbuch halten, wird das permanente religiöse Getue auf die Nerven gehen, und sie werden spätestens dann lauthals lachen, wenn die im Alten Testament tatsächlich erwähnte weiße Taube mit dem Olivenzweig im Schnabel vom nahen Festland kündet und in rührseligem Kitsch für ungewollte Komik sorgt.

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Auf ihre Kosten kommen stellenweise Zuschauer mit einem Sinn für Effekte: In magischen Momenten sprießt aus schwarzer Wüste üppiger Wald, strömen Tiere an Bord der Arche, bauen und wüten gefallene Engel als steinerne Kolosse, fegen digitale Fluten binnen Sekunden alles hinweg. Frohlocken könnten auch die Kreationisten, die die biblische Schöpfungsgeschichte gleichberechtigt neben der Evolutionslehre sehen wollen: Aronofsky nimmt zumindest so viel Biblisches wörtlich, dass die Handlung ohne Logik auskommt. Lüstern pulsiert der Apfel, der Adam und Eva ins Verderben lockt, und der in einer Höhle hausende Methusalem schenkt Fruchtbarkeit, wo sie gebraucht wird – Mirakel fallen quasi vom Himmel.

Russell Crowe führt als weiser Vater zunächst vor, wieso Noah auserwählt wird. Unter dem Gewicht der Aufgabe steigert er sich dann in religiöse Raserei, die auch der Fundamentalist Mel Gibson („Die Passion Christi“, 2004) hätte inszenieren können: Verblendet richtet Noah sich gegen seine eigene Familie. Jennifer Connelly ruht als gute Mutter in der Brandung, Emma Watson müht sich als unschuldiges Ziehtöchterchen redlich um ein Recht auf Leben. Ironisch spielen darf nur Anthony Hopkins mit seiner Figur als fröhlicher Onkel Methusalem.

Weil man wenig weiß über die vorsintflutliche Welt, musste Aronofsky improvisieren: Die Welt ist eine Wüste, ruiniert durch die verderbten Nachkommen des Brudermörders Kain, deren Städte den Charme gegenwärtiger Industrieruinen verströmen. Dass sie aussehen wie frühe Ritter, irritiert ein wenig, genau wie die an Jeans erinnernden Hosen, die Noah mitunter trägt. Die Arche schließlich ist kein Schiff, sondern ein riesiger hölzerner Quader, abgedichtet nur mit Pech – auch dies eine Glaubensfrage.

Hölzern und ein wenig erzwungen wirkt letztlich der ganze Film, Aronofsky hat nicht zu der künstlerischen Konsequenz gefunden, mit der er in „The Fountain“ (2006) spirituelle Grundfragen zum Bilder- und Gedankenfluss verwob. „Noah“ zeigt vor allem: Was mit Menschen geschieht, wenn sie Religion zu ernst nehmen; und dass davor auch geniale Regisseure nicht gefeit sind.

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