Italiens Ex-Einwanderungsministerin Cécile Kyenge ist empört über die Wortwahl von Innenminister Alfano Foto: dpa

Innenminister Alfano geht gegen dunkelhäutige Nippesverkäufer vor – und wird wegen seiner abwerteten Wortwahl von Ex-Kollegin Kyenge als Rassist beschimpft.

Rom - Jeder Italienreisende hat sie schon mal gesehen. Sie stehen an Sehenswürdigkeiten wie der Engelsbrücke in Rom, vor dem Dom in Mailand, an den Uffizien in Florenz oder sie marschieren an Badestränden auf und ab – dunkelhäutige Straßenverkäufer, die für ein paar Euro vermeintlich hochwertige Uhren, Handtaschen oder Sonnenbrillen ebenso anbieten wie sinnfreie Holzfiguren, China-Nippes, Regenschirme oder Taschenlampen. Viele Touristen fühlen sich von den aufdringlichen Verkäufern belästigt. Damit soll nun Schluss sein.

Zumindest, wenn es nach Innenminister Angelo Alfano geht. Am Montagabend hatte er angekündigt, dass bis zum Mittwochabend dieser Woche alle italienischen Polizeipräsidenten Maßnahmen ergreifen müssen, um „dem illegalen Handel das Handwerk zu legen“. Das klingt wenig zimperlich, zumal Alfano die illegalen Händler im selben Atemzug gleich mehrfach „vu cumprà“ nannte – eine Verballhornung italienisch sprechender schwarzer Einwanderer, die so viel bedeutet wie „Will kaufen?“, statt „Wollen Sie etwas kaufen?“.

Cécile Kyenge ist deswegen über die Worte des Innenministers zornig. „Der hat eine Redeweise, die man in einem demokratischen Rechtsstaat von einem Minister nicht akzeptieren darf“, echauffiert sich die schwarze sozialdemokratische Politikerin, die bis Februar Italiens Einwanderungsministerin war. Dass Alfano den Ausdruck „vu cumprà“ benutzt, findet sie „einem rechtsradikalen und rassistischen Stammtisch würdig“. Die verbale Entgleisung des Ministers zeigt nach Auffassung Kyenges, „wie weit Rassismus hier noch verbreitet ist“.

    Alfano ist Chef der christdemokratischen Zwergpartei Neue rechte Mitte (NCD), einer Abspaltung von Silvio Berlusconis Forza Italia. Vor allem aber: Sie ist Koalitionspartner des sozialdemokratischen Regierungschefs Matteo Renzi.

Doch Alfano geht es nicht nur um den Kampf gegen die „vu cumprà“, sondern um den „ausufernden illegalen Handel mit Waren“. Dieser wird fast ausschließlich von mafiösen oder mafiaähnlichen kriminellen Gruppierungen organisiert, die die dramatische Lage illegaler Einwanderer ausnutzen.   „Diese Menschen ohne Ausweispapiere“, erklärt Sandro Mattei von der Caritas Romana, „werden in Italien von vielen Arbeitgebern ausgenutzt, und kriminelle Organisationen benutzen sie, um illegal nach Italien importierte Waren, darunter Kopien von Markenprodukten wie Taschen oder Sonnenbrillen, zu verkaufen.“

Weil die dunkelhäutigen Händler in den Sommermonaten vor allem an Stränden arbeiten, nennt der Innenminister seine Polizeiaktion publikumswirksam „Sichere Strände“. Ziel ist es, qua Polizeikontrollen die Händler an den Stränden aufzuspüren und zu verhaften.   Einer Umfrage der Tageszeitung „La Stampa“ zufolge wird dieses Projekt von 45 Prozent der Leser befürwortet, ebenso viele finden die Aktion „unmenschlich und rassistisch“.

Etliche katholische Geistliche kritisieren nicht nur die Ausdrucksweise des Ministers. Sie werfen ihm vor, dass es ihm vor allem um die schwarzen Händler gehe, und nicht um deren kriminelle Hintermänner.  Mafiaorganisationen aus dem Großraum Neapel, aber auch aus Rom beschäftigen Zehntausende illegale Einwanderer – ein Zustand, dem bisher noch keine italienische Regierung beikommen konnte. Zwar existiert ein Gesetz, wonach illegaler Handel wie auch der Erwerb illegal gehandelter Produkte hart bestraft wird, aber die Polizei greift nur selten durch.

Sollte die Aktion „Sichere Strände“tatsächlich zu einem entschlossenenHandeln seitens der Polizei führen, müssen sich auch Touristen in Acht nehmen, die die besonders beliebten, gefälschtenModemarkenprodukte bei den „vu cumprà“ für ein paar Euro kaufen.   Italienischen Gesetzen zufolge müssen Kunden, die von der Polizei beim Kauf illegaler Produkte erwischt werden, bis zu 3000 Euro Strafe bezahlen. Um Italientouristen nicht zu verschrecken, wird die Vorgabe bisher nur sehr selten in der Praxis angewendet. Das könnte sich jetzt ändern.