Die russisch-orthodoxe Kirche im Stuttgarter Westen gibt es seit 120 Jahren Foto: Peter Petsch

Auffällig bunt und direkt im Wohngebiet des Stuttgarter Westens steht sie – und das schon seit 120 Jahren: Die Russisch-orthodoxe Kirche des Nikolaus von Myra. Am Montag hat die russisch-orthodoxe Gemeinde gefeiert.

Stuttgart - Sonntags wird es in der Nikolaus-Kathedrale in der Hegelstraße immer besonders eng. So eng, dass der Gottesdienst schon lange in zwei Schichten stattfindet. Die Kirche fasst rund 200 Menschen, 300 kommen aber jedes Mal aus dem Großraum Stuttgart herbei. Deswegen wird die Liturgie in zwei Schichten gefeiert, um sieben und um zehn Uhr. Willkommen sind nicht nur die rund 2000 Mitglieder der Gemeinde, sondern alle Interessierten.

Der Andrang zeigt: Die russisch-orthodoxe Gemeinde in Stuttgart befindet sich im Wachstum. „Heute herrscht in der Gemeinde ein reges und vielfältiges Leben. Wir sind am Wachsen, haben viele junge Gemeindemitglieder und Familien. Das ist eine große Herausforderung für uns“, sagt Erzpriester Ilya Limberger.

Das war nicht immer so: Nach dem Wirken von Königin Olga in Stuttgart setzte sich deren Großneffe Zar Alexander III. für den Bau einer Kirche ein. Die Nikolaus-Kathedrale wurde im Jahr 1895 geschaffen. Nur wenige Jahre später, nach Auseinandersetzungen im Ersten Weltkrieg, aber wieder geschlossen. Im Jahr 1944 wurde sie nach Angriffen der Alliierten stark in Mitleidenschaft gezogen und erst in den 50er Jahren von Geflüchteten wieder aufgebaut. „Im Jahr 1990 war unsere Existenz bedroht, wir hatten fast keine Menschen mehr in unserer Gemeinde. Dann kamen die Spätaussiedler“, erzählt Limberger. Die Kathedrale ist das Zentrum und der Brennpunkt des Lebens der Gemeinde. Hier vollzieht sich laut dem Erzpriester die Integration der Mitglieder in Baden-Württemberg. Viel wird in Jugendhilfe und Bildung investiert. „Bei uns kann man Wurzeln schlagen, und wir versuchen in vielen Projekten zu vermitteln, dass sich Russland und Württemberg nicht fremd sind. Gerade die Familie der Romanows hat das Land geprägt.“ Den Erfolg sieht der Erzpriester jeden Tag: „Wir sind ein Vorbild für eine gelungene Integration von Migranten.“ Vermitteln muss Limberger des Öfteren zwischen zwei Generationen. Hier ist teilweise die Kommunikation problematisch, weil die Sprache verloren geht. Die zweite Generation spricht deutsch.

Dass die U-Bahn-Haltestelle vor der Kirche „Russische Kirche“ getauft wurde, sieht der russisch-orthodoxe Erzbischof Deutschlands, Mark Arndt, als Zeichen des guten Verhältnisses. „Das ist einzigartig in Deutschland. Wir haben in Stuttgart unseren Platz, und das Herz unseres Lebens dort ist seit 120 Jahren die Nikolaus-Kathedrale.“ Ein gutes Verhältnis besteht auch zum russischen Konsulat, weiß Honorarkonsul Klaus Mangold. „Wir haben eine enge Verbindung und wollen gemeinsam die Lebensbedingungen der Menschen, die nach Deutschland kommen, verbessern.“