Normalität ist dem kleinwüchsigen Niko Kappel in jeglichen Situationen wichtig – auch beim Fototermin. Foto: Dominique Wehrle

Der kleinwüchsige Kugelstoßer Niko Kappel aus Welzheim, der mehrere Jahre regelmäßig in Rommelshausen trainiert hat, überzeugt nicht nur mit großen Weiten.

Fellbach - Niko Kappel setzt sich auf das braune Ledersofa und rutscht ganz nach hinten. Gemütlich lehnt er sich an das Rückenteil, einen Arm lässig zur Seite gelegt. Seine Füße reichen derweil kaum über das Ende des Polsters hinaus und baumeln in der Luft. Der 22-Jährige verharrt einen Moment lang, fängt an zu grinsen und rückt soweit nach vorn, dass er wieder Bodenkontakt hat. „Nein, nein, wir machen ein normales Foto“, sagt der kleinwüchsige Kugelstoßer lachend. Normalität ist für ihn eine Selbstverständlichkeit, ebenso der humorvolle Umgang mit seiner Größe von 1,40 Meter. Alles andere als selbstverständlich waren hingegen seine Erfolge in den vergangenen zwölf Monaten. Zunächst gewann er bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro überraschend die Goldmedaille, dann wurde er zum deutschen Behindertensportler des Jahres gewählt und vor wenigen Wochen sicherte er sich mit einer Weite von 13,81 Meter Weltrekord und Weltmeistertitel beim globalen Wettbewerb in London.

Niko Kappel hat sich nie zurückgezogen

Dementsprechend häufig ist der Welzheimer, der für die CDU im dortigen Gemeinderat sitzt, mittlerweile abseits des Sportplatzes gefordert. So hat er unlängst mit einer Fellbacher Agentur für Büro- und Gewerbeimmobilien eine Partnerschaft vereinbart.

Zwischen den Terminen von Sport und Lokalpolitik berät „Bonsai“ – so der Spitzname, den sein Trainer Peter Salzer prägte und den Niko Kappel durchaus als zutreffend empfindet – Firmen für eine Bank in seinem Heimat- und Wohnort. Immer wieder äußert er zudem seine klare Meinung zum Thema Inklusion. „Für mich geht es dabei um Gleichstellung“, sagt Niko Kappel mit schwäbischem Akzent. „In Deutschland genießen Menschen mit Behinderung allerdings häufig eine Sonderbehandlung und ziehen Vorteile daraus.“ Dabei sieht er im Sport großes Potenzial, das Selbstbewusstsein der Betroffenen zu stärken.

Niko Kappel trainierte bis ins Jahr 2014 auch in Rommelshausen

Er selbst hat sich seit der Kindheit nie zurückgezogen oder seine Größe als Vorwand benutzt, um beispielsweise nicht am Schulsport teilzunehmen. Auch als er unlängst beim Trainingslager des Bundesligisten Borussia Dortmund zu Gast war, zögerte der begeisterte Fußballer nicht, in einem Freundschaftsspiel gegen eine Betreuer-Auswahl des Pokalsiegers anzutreten. „Nach zehn Minuten ist mir das erste Mal die Puste ausgegangen“, sagt Niko Kappel über die ungewohnte Belastung. Schließlich sind seine Bewegungen ansonsten eher explosivkräftig und weniger ausdauernd.

Denn der Kugelstoßring bietet ihm lediglich einen Durchmesser von 2,13 Meter, um das Sportgerät zu beschleunigen. Um diese Länge optimal nutzen zu können, hat der Athlet des VfL Sindelfingen gemeinsam mit seinem Trainer Peter Salzer vor rund zweieinhalb Jahren die Drehstoßtechnik für Kleinwüchsige optimiert. Mittlerweile kopiert zwar ein Großteil seiner Konkurrenten diesen Ansatz, besser war jedoch noch keiner. Diesen Vorsprung will sich der Titelsammler mit Blick auf die Europameisterschaften im nächsten Jahr, aber auch auf die nächsten Paralympischen Spiele 2020 in Tokio, bewahren.

Niko Kappel zählt zur Weltklasse

Bevor Niko Kappel seine technischen Fertigkeiten am Olympiastützpunkt in Stuttgart verfeinerte, übte er bis ins Jahr 2014 auch regelmäßig im Saint-Rambert-Stadion in Rommelshausen unter Anleitung von Thomas Nuss und Thomas Strohm das Zusammenspiel von Beinen, Rumpf und Armen, um die Kugel erfolgreich zu distanzieren. „Die beiden haben mich in die Junioren-Spitzenklasse gebracht“, sagt der Aufsteiger über seine ehemaligen Ratgeber, bei denen er noch immer regelmäßig in der Geschäftsstelle des Württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverbands vorbeischaut. Mittlerweile zählt Niko Kappel zur Weltklasse – trotz schwerem Übergewicht. Das ließe sich zumindest aus seinem Body-Mass-Index von 36 schließen. „Da schüttelt jeder Versicherer den Kopf“, sagt der austrainierte Athlet und grinst erneut.