Wo haben wichtige Architekten ihren Ideen freien Lauf lassen können? In Almere! Die Stadt in Holland zieht daher Architektur-Fans aus aller Welt an.

Almere - Kaum irgendwo stimmt der Slogan „Neuland entdecken“ so wie hier, in oder besser auf Flevoland, der neuesten Provinz der Niederlande. Sie entstand ab 1939, als man begann, die Zuidersee trockenzulegen. Es war ein Jahrhundertprojekt, das erst 1968 seinen Abschluss gefunden hat. Die Siedler, die es auf die neu gewonnenen Polder und in die neuen Städte zog, waren Pioniere. Und Pioniergeist findet man auf dem am Reißbrett entstandenen Flevoland, dessen südlicher Teil komplett von Wasser umgeben ist, noch heute - und nicht nur auf dem Feld der Architektur. Wer sich von Philippe van Thiel mit dem Boot zur Esplanade, dem am Wasser gelegenen Hauptplatz von Almere, bringen lässt, erfährt, dass die Stadt die wasserreichste im Land ist. „Wir bewegen uns hier viel mit dem Boot“, sagt der Chef vom Yachthafen Haddock.

„Überall gibt es Strände, selbst in der City.“ Auch um die Innenstadt, die nach einem Masterplan von Rem Koolhaas - niederländischer Architekt und einer der renommiertesten Vertreter wegweisender zeitgenössischer Architektur - entstand, verläuft ein Wasserweg. Auffallend grün ist es. Dass die drei Stadtteile Almeres durch Parks verbunden sind, zahlt sich aus. „Wasser und Wälder, das lieben die Menschen“, meint Stadtführerin Marie-Josée Röselaers. Es muss stimmen, denn Almere wächst und wächst auf mittlerweile rund 200 000 Einwohner. Die schätzen das Leben in einer Stadt, in der sich auch der englische Star-Architekt David Chipperfield und der französische Stadtplaner Christian de Portzamparc verwirklicht haben, in der der Verkehr auf Fahrräder beschränkt ist.

„Unser Boden ist Neuland, also absolut naturbelassene Erde“

Auf dem Weg nach Urk, dem ältesten Ort auf Flevoland, kann man weitere Stationen ansteuern, an denen sich der Pioniergeist ablesen lässt. Da ist zum Beispiel der Riese auf dem Deich, der bei Lelystad aufs Ijsselmeer blickt - ein Symbol für die gewaltige Leistung der Landgewinnung, die hier stattgefunden hat. Weitere, zum Teil begehbare Landschaftskunstwerke haben etwa Richard Serra und der Architekt Daniel Libeskind beigesteuert. Sozusagen im Rücken des Kolosses findet man das Museumsschiff „Batavia“, das als Nachbau des 1628 vom Stapel gelaufenen Seglers an den Schiffbau im Goldenen Jahrhundert der Niederlande erinnert: ein Werk engagierter Flevoländer.

An der nächsten Station wartet eine Pionierleistung, die man hier eher weniger erwartet: Weinbau. „Unser Boden ist ja Neuland, also absolut naturbelassene Erde“, erklärt Winzer Johan Rippen. Außerdem sei das gesamte Viertel als Terrain für biologischen Landbau ausgewiesen worden. Beste Voraussetzungen also für ganz besondere Qualität. „Wir experimentieren mit neueren Rebsorten, die für unser Klima geeignet sind.“ Das Ergebnis: gehaltvolle, komplexe Rotweine mit schwerer Frucht. Wer von Almere nach Lelystad radelt, passiert das Naturschutzgebiet Oostvaardersplassen. Hier kann man sich auf die Suche nach Auerochsen und Seeadlern machen. Weiter geht es auf dem „Pionierpfad“, der immer wieder durch kleine Waldstücke führt, nach Norden zum älteren Teil Flevolands. „Welkom op Urk“ heißt es bei der Ortseinfahrt. Das Städtchen war einst eine kleine Insel in der Zuidersee. Man lebte vom Fischfang, was auch heute noch für die meisten Bewohner gilt, auch wenn Urk mit seinen schmalen Gassen heute an einem Binnenmeer liegt.

Schokland - ein Unesco-Welterbe

„Die Männer tragen hier traditionell einen Ohrring. Früher war er das Erkennungszeichen für die Urker - sonst wären sie im Todesfall hier nicht bestattet worden. Mit dem Gold konnte dann auch gleich die Beerdigung bezahlt werden“, erzählt Lammert Post, der Gäste auf seinem historischen Holzboot mit hinaus nimmt aufs Ijsselmeer. Die ehemalige Insel Schokland, unweit von Urk, war das erste niederländische Monument auf der Liste des Unesco-Welterbes. Im Museum und bei einer Führung erfahren Sie mehr über die wechselhafte Geschichte von Schokland und ihrer leidgeprüften Bewohner. 1859 wurde die Insel oder besser das, was noch von ihr übrig war, auf königliches Geheiß geräumt. Überschwemmungen und Sturmfluten hatten dem Eiland immer wieder zugesetzt. Das Meer hatte gesiegt, aber nur vorübergehend, bis der Nordostpolder angelegt wurde.

Auf dem Rundweg um das Terrain der früheren Insel hört man keine aufbrausenden Wellen mehr. Nur der Wind rüttelt bisweilen an den hölzernen Befestigungsanlagen, die das Ende Schoklands anzeigen. Es sieht ganz so aus, als hätte der Mensch auf Flevoland gezeigt, dass er im Ringen mit der Natur auch etwas Vernünftiges zustande bringen kann.

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Infos zu den Niederlanden

Anreise
Über die A 8, A 5 und A 6 auf die A 61 (Richtung Köln), weiter auf der A 61 (Richtung Venlo/Niederlande). In den Niederlanden auf A 74, A 73, A 50 (Richtung Nijmegen und Arnhem), dann A 12 (Richtung Utrecht), A 30 (Richtung Amersfoort), A 1 (Richtung Amsterdam) und schließlich auf die A 6 nach Almere. Mit der Bahn reist man von Stuttgart nach Almere und zurück mit dem Sparpreis ab 188 Euro pro Person (mehrmaliges Umsteigen).

Unterkunft
Vier-Sterne-Hotel Apollo im Zentrum von Almere: architektonisch interessantes Haus. Angebot: Am Wochenende zahlt man 47,50 Euro pro Person und Nacht inkl. Frühstück, www.apollohotelresorts.com/almere .

Wasserchalets im Yachthafen von Lelystad: Drei Übernachtungen in einem Häuschen (max. vier Personen) am Steg 389,95 Euro, www.flevomarina.com .

Pension De Kroon in Urk: B & B im alten Dorf. Das DZ mit Frühstück kostet bei mehrtägiger Buchung 65 Euro, www.pensiondekroon.nl .

Allgemeine Informationen
Toerisme Flevoland: Het Ravelijn 1, 8233 BR Lelystad, www.toerismeflevoland.nl, www.holland.com