Der Ex-Präsident Frankreichs befindet sich in Polizeigewahrsam – ein politisches Comeback rückt damit in weite Ferne. Foto: dpa

Die Ermittler kennen keine Gnade: Sie nehmen Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy fest. Es ist das erste Mal, dass sich ein ehemaliger Elysée-Chef in Polizeigewahrsam befindet.

Die Ermittler kennen keine Gnade: Sie nehmen Frankreichs Ex-Präsidenten Nicolas Sarkozy fest. Es ist das erste Mal, dass sich ein ehemaliger Elysée-Chef in Polizeigewahrsam befindet.

Paris - Ist das die Rache der „kleinen Erbsen“? Mit dieser Schmähung hatte Nicolas Sarkozy die Juristen einst verunglimpft. Obwohl selbst ausgebildeter Anwalt, behandelte er die Rechtsvertreter in der Zeit seiner Präsidentschaft mit ziemlicher Arroganz. Seit der frühere französische Präsident seine Immunität verloren hat, hängt das persönliche und politische Schicksal des 59-Jährigen jedoch von der Justiz ab.

Die Behörden ermitteln in mehreren Affären, in die er verwickelt ist. Meist geht es dabei um illegale Wahlkampffinanzierung. Verdächtigungen gab es schon länger, Sarkozys Amtsvorgänger Jacques Chirac wurde sogar wegen eines Systems fiktiver Jobs verurteilt. Doch noch nie kam ein früheres französisches Staatsoberhaupt in Polizeigewahrsam – Sarkozys Verhör bei der Anti-Korruptions-Polizei am Montag im Pariser Vorort Nanterre war eine Premiere. Dort wurde er jetzt festgesetzt. Die Behörden können ihn bis zu 48 Stunden in Gewahrsam halten.

Zu Jahresbeginn war herausgekommen, dass eines seiner Handys, das er unter einem anderen Namen für Gespräche mit seinem Anwalt Thierry Herzog angemeldet hatte, monatelang abgehört worden war. Die Erkenntnisse daraus führten zu einem Ermittlungsverfahren wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses. Sarkozy, der alle Vorwürfe bestreitet, hatte die Abhöraktion mit Methoden der DDR-Staatssicherheit verglichen.

Vorgeworfen wird dem Ex-Staatschef, sich über den hochrangigen Staatsanwalt am Kassationsgerichtshof, Gilbert Azibert, illegal Informationen über ein laufendes Verfahren beschafft, Einflussnahme versucht und diesem im Gegenzug einen prestigeträchtigen Posten in Monaco in Aussicht gestellt zu haben. Aus der Versetzung wurde jedoch nichts. Einflussnahme kann nach französischem Recht mit bis zu fünf Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe in Höhe von 500 000 Euro bestraft werden.

Auch Azibert, ein weiterer Top-Jurist und Anwalt Herzog kamen in Polizeigewahrsam. Bei einem Ermittlungsverfahren am Kassationsgerichtshof ging es um den Verdacht, der inzwischen verstorbene libysche Ex-Machthaber Muammar al-Gaddafi habe Sarkozy im Jahr 2007 millionenschwere Wahlkampf-Hilfe geleistet, wie er selbst und sein Umfeld wiederholt behauptet hatten.

Dabei beschlagnahmten die Untersuchungsrichter Sarkozys Terminkalender, die einen regelmäßigen Kontakt mit dem Geschäftsmann Bernard Tapie verrieten. Dieser bekam unter Sarkozy in einem umstrittenen Schiedsverfahren eine Entschädigungszahlung in Höhe von 403 Millionen Euro aus Steuergeldern zugesprochen. Häufige Treffen zwischen Tapie und Sarkozy-Vertrauten schürten die Vermutung, es habe Absprachen gegeben.

Bestätigt werden konnte bislang keiner der Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten. Mangels Beweisen wurden auch die Ermittlungen im Fall der L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt. Sarkozy stand im Verdacht, er habe die Altersschwäche der heute 91-jährigen Milliardärin ausgenutzt, um seinen Wahlkampf 2007 illegal sponsern zu lassen.

Ebenfalls nicht erwiesen ist seine Verwicklung in den Skandal um exorbitante Kosten und getürkte Abrechnungen seiner Wahlkampagne 2012, die seine bürgerlich-rechte Partei UMP in diesen Wochen in finanzielle und rechtliche Schwierigkeiten gebracht hat. Auch in den aufgezeichneten Telefonaten, von denen die Zeitung „Le Monde“ drei veröffentlicht hat, geben er und sein Büroleiter wenig Belastendes preis.

Dem Journalisten Fabrice Lhomme zufolge decken sie allerdings ein „System Sarkozy“ auf: Der Ex-Präsident habe ein umfangreiches Netz an Informanten bei Polizei und Justiz unterhalten und versucht, auf sie Druck auszuüben und Einfluss zu nehmen. Untersucht wird zudem, ob er über die Abhör-Aktion in Kenntnis gesetzt wurde.

Auch wenn seine Schuld in keiner der Affären nachgewiesen ist, so wirft deren Häufung ein schlechtes Licht auf Sarkozy und bedroht seine Comeback-Pläne. Längst gilt als ausgemacht, dass der Ex-Präsident bei den nächsten Wahlen 2017 nochmals antreten will. Die schlechten Zustimmungswerte gerade für Präsident François Hollande lassen in konservativen Kreisen immer wieder Rufe nach einem politischen Comeback Sarkozys laut werden. Doch sein früherer Premierminister François Fillon und Ex-Außenminister Alain Juppé, die ebenfalls Ambitionen auf das höchste Amt im Staat hegen, stellen sich ihm in den Weg. Auch einstige Weggefährten kritisieren ihn inzwischen offen. Der frühere Arbeitsminister Xavier Bertrand meinte, Sarkozys Politik sei „nicht auf der Höhe“ gewesen.

Sarkozy selbst macht meist nur Andeutungen über eine mögliche Rückkehr. Eine sichere Bank für UMP-Siege scheint er nicht zu sein. Ein Zeitungsbeitrag des Ex-Präsidenten kurz vor den Kommunalwahlen im März war noch viel diskutiert worden und galt als ein Grund für das gute Abschneiden der UMP. Ein ähnlicher Versuch direkt vor den Europawahlen im Mai half den Konservativen jedoch nicht. Frankreichs rechtsextreme Front National (FN) fügte der UMP eine schwere Niederlage zu.

Wenn im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt wird, wäre das vielleicht Sarkozys letzte Chance, die UMP wieder fest in seine Hand zu bringen, die seit seiner Wahlniederlage von Führungs- und Richtungsstreitigkeiten gebeutelt wird. Zumindest unter den Stammwählern hat er sich viele Anhänger bewahrt.

Diese tun die Ermittlungen gegen ihr Idol denn auch als Komplott ab. Schon das große Polizeiaufgebot zeige, dass man „den früheren Präsidenten um jeden Preis anschuldigen will“, befand der UMP-Abgeordnete Daniel Fasquelle.

Christian Estrosi, einst UMP-Minister unter Sarkozy, sprach über Twitter von einer „Welle des Hasses“ gegen den Ex-Präsidenten. Auch der Fraktionschef der Konservativen in der Nationalversammlung, Christian Jacob, zeigte sich überzeugt, dass Sarkozy „erhobenen Hauptes“ aus den Untersuchungen gehen könne.