„Hundert Jahre Hörigkeit“ mit Sophia Hankings-Evans, Constantin Petry und Tobias Loth (von links) Foto: Bettina Stöß

„Da isch rot“. Einer der vier sagt das. Weil ein anderer der vier entgegen der Regel über die Straße will. Geht er jetzt oder fügt er sich? Mit Alltagsszenen kommentieren Sophia Hankings-Evans, Godje Hansen, Tobias Loth und Constantin Petry Heinrich Manns „Der Untertan“. Zu sehen ist „Hundert Jahre Hörigkeit“ im Nord.

Stuttgart - „Da isch rot“. Einer der vier sagt das. Weil ein anderer der vier entgegen der Regel über die Straße will. Geht er jetzt oder fügt er sich? Mit Alltagsszenen kommentieren Sophia Hankings-Evans, Godje Hansen, Tobias Loth und Constantin Petry Heinrich Manns „Der Untertan“. In wechselnden Rollen wird der Protagonist Diederich Heßling vorgestellt, dieses weiche Kind, der klägliche Schüler, der den einzigen Juden seiner Klasse unterdrückt. Heßling, der ewige Feigling, ein Spitzel gar, „in jeder Körperzelle Hörigkeit“.

Tucholsky nannte den 1914 erschienenen Roman „Ein Herbarium des deutschen Mannes“. Weniger geschlechtsspezifisch kommt die Stückentwicklung der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg über die Bühne; in der Regie von Sören Hornung war am Freitag im Nord Premiere. Ein Mann trägt Militärlook, ein zweiter ironisiert seine Männlichkeit durch weibliche Pensionatskleidung. Gespielt wird rund um eine „No-Go-Area“ aus Kartons, die mit Steinen ausgelegt ist. Mit einer kuriosen Exorzismushandlung soll Hörigkeit ausgetrieben, mit der Grenzverletzung einer der beiden Frauen (sie tobt sich im „No go“ aus) das Regelwerk durchbrochen, in einer Sado-Maso-Szene Unterwerfung gezeigt werden. Dann ist Heßling verliebt, wird für Theatermomente weich, entwickelt sich aber bald zum zynischen Tyrannen. Originalzitate wechseln mit Alltagssprache.

Das ist unterhaltsam, mündet aber in Gebrüll, wenn „die Lohe des Hasses“ politisch aktualisiert wird. „Wer kämpft, kann gewinnen“: Unter dieser Mutlosung räumen die vier die rissigen Steine weg, und spätestens jetzt weiß das Publikum, warum Johana Gómez das Quartett mit Gummihandschuhen ausgerüstet hat. Fazit: Diederich Heßling ist der Prototyp des Menschen, der sich selber hasst, weil er Angst hat, er selbst zu sein.

Weitere Termine: 4., 5. April je 20 Uhr. Kartentelefon 07 11 /202090