So sieht das Modell aus für das neue Technologiezentrum. Foto: Walter AG

Der Hersteller von Zerspanungswerkzeugen hat 15 Millionen in das neue Technologiezentrum investiert. Kunden können dort vor Ort nach neuen Lösungen suchen.

Tübingen - Die Walter AGhat ihr neues Technologiezentrum in Tübingen eröffnet. 15 Millionen Euro – acht Millionen Euro davon entfielen allein auf das Gebäude – hat der Hersteller von Zerspanungswerkzeugen in das neue Zentrum investiert. Walter-Chef Mirko Merlo spricht von einer „Denkfabrik“, in der Kunden und Partner an eigenen Materialien Lösungen erproben und an Bauteilen Prozessoptimierungen vornehmen können. Es gehe dabei um maßgeschneiderte Lösungen für die Kunden, so Merlo. Ziel dabei sei es, dass die Geschäftspartner die gewünschten Bauteile künftig schneller, wirtschaftlicher und in einer besseren Qualität herstellen können, fügt er hinzu. Walter seinerseits will auf diesem Wege die Zusammenarbeit mit Kunden intensivieren. Angst, dass der Tübinger Zerspanungsspezialist damit Zugriff auf interne Daten erhalten könnte, bräuchten die industriellen Kunden nicht zu haben, versichert Jacek Kruszynski, bei Walter zuständig für Technologie. Sie könnten im Technologiezentrum die Tests in der eigenen IT-Umgebung vollziehen; Walter habe keine Zugriffsmöglichkeiten auf diese Daten, so Kruszynski. Datensicherheit sowie die Frage wem die Daten gehören, wird häufig als Grund angeführt, dass sich vor allem Mittelständler bei der digitalen Vernetzung der Produktion zurückhalten. Der Walter-Firmenchef ist mit der Resonanz auf das neue Angebot zufrieden; wie viele Kunden ihre Produktionsprozesse überprüfen wollen, sagte er aber nicht. Wie international das Unternehmen aufgestellt ist, hat die Eröffnungsfeier des Technologiezentrums gezeigt: Rund 150 Kunden aus 25 Ländern sind nach Tübingen gekommen.

Keine Angst vor Datenklau

Aber in dem neuen Zentrum sollen nicht ausschließlich Kunden ihre Prozesse optimieren. Walter will hier auch eigene Innovationen vorantreiben; je nach Projekt werden dort etwa 20 Beschäftigte tätig sein. Merlo schwebt vor, dass die Mitarbeiter in dem Zentrum „verrückte Ideen“ erproben sollen; Fehler machen sei erlaubt. „Wir brauchen Querdenker“, sagt der Walter-Chef. Für ihn sind das Menschen, die Mut haben und die Regeln der Chefs in Fragen stellen.

Mehr Aufgaben in die Produktion verlagert

Nach Ansicht von Thomas Bauernhansl, der Leiter des Stuttgarter Fraunhofer Instituts für Fertigungstechnik, hat die digitale Vernetzung Einfluss auf die Arbeitsplätze. Eine Reduzierung der Stellen sieht er im Controlling und etwa in der Produktionsplanung. Letzteres werde teilweise von den Produktionsmitarbeitern übernommen. Sie würden immer öfter direkten Kundenkontakt haben. Deshalb werde die Qualifikation der Produktionsmitarbeiter steigen.

Walter, Hersteller von Zerspanungswerkzeugen, gehört zu Sandvik, einem der größten Industrieunternehmen Schwedens. Im vergangenen Jahr setzten die Tübinger mit weltweit 3600 Mitarbeitern – davon sind 650 am Firmensitz in Tübingen und 500 im Werk in Münsingen tätig – rund 700 Millionen Euro um. 80 Prozent des Umsatzes werden außerhalb Deutschlands erzielt. Europa sei dabei die wichtigste Region für das Unternehmen. Bedeutende Branchen sind die Autoindustrie, die Luft- und Raumfahrt sowie die Energie. „Wir hängen am Verbrennungsmotor“, räumt Merlo ein. Im Elektroauto sind deutlich weniger Metallteile, die mit den Werkzeugen der Tübinger bearbeitet werden. Doch nicht zuletzt der Abgasskandal könnte dem Absatz der Stromer einen Schub verleihen – was sich wiederum im Umsatz der Tübinger niederschlagen kann. Merlo glaubt zwar nicht, dass Elektroautos innerhalb der nächsten fünf Jahre ihren Anteil massiv ausweiten werden. Aber er sucht bereits jetzt einen Ausgleich in andere Geschäftsfelder bringen. „Die Luft- und Raumfahrtindustrie wird wachsen“, prophezeit er.