Noch zwei Neue: Christian Ulmen und Nora Tschirner wollen als „Tatort“-Kommissare Karriere machen. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) setzt die Schauspieler für einen Krimi aus Weimar ein. Doch durch immer mehr Ermittler in der ARD-Reihe droht die erfolgreiche Marke „Tatort“ zu zerfasern.
21 Teams mit mehr als 50 Darstellern: Wer soll da noch durchblicken? Auffällig ist, dass die ARD verstärkt auf prominente Namen setzt. Til Schweiger wird ab Anfang 2013 in Hamburg für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) Unholde das Fürchten lehren, Ulrich Tukur steht für den Hessischen Rundfunk (HR) vor der Kamera. Und in Kiel wurde vor gut einem Jahr Sibel Kekili als Kollegin von Axel Milberg eingeführt.
Reichen große Namen allein als Erfolgsgarant? Über die schauspielerischen Qualitäten eines Til Schweiger darf man immerhin geteilter Meinung sein. Das Duo Ulmen/Tschirner fiel in der Vergangenheit durch die eine oder andere nette Komödie auf, aber Superstars sind sie bestimmt nicht. Als solche hat sie MDR-Fernsehdirektor Wolf-Dieter Jacobi bezeichnet und gejubelt, das sei eine „Traumbesetzung“.
Kritiker monieren die vielen Drehorte
Mit den Jungschauspielern – Tschirner ist 31 und Ulmen 37 Jahre alt – versucht der Sender offenbar, sich jüngeren Zuschauern anzudienen. Ob das gelingt? Fraglich. Dazu passt allerdings, dass eben der MDR die betagten, aber beliebten Ermittler Schmücke (Jaecki Schwarz) und Schneider (Wolfgang Winkler) aufs Altenteil schickte. Ihr letzter „Polizeiruf“ aus Halle an der Saale soll Anfang 2013 ausgestrahlt werden.
Kritiker monieren zudem seit langem, dass immer mehr Drehorte auftauchen, sich die Filme jedoch zusehends ähnlicher werden. Dem Publikum fällt die Orientierung bei der Vielzahl der Polizisten schwer. Das war nicht immer so: Dietz-Werner Steck als Kommissar Bienzle etwa stand als bruddliger, aber unverwechselbarer Stuttgarter Columbo stellvertretend für den Südwesten in der gesamten Republik. Identifikationspunkte sucht der Zuschauer bei seinen Nachfolgern Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) vergebens.
Besonders erfolgreich sind Figuren, die über Jahre hinweg aufgebaut wurden. Beispiel Köln: Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) ermitteln seit 15 Jahren gemeinsam. Sie haben sich in mehr als 50 Folgen zunächst aneinander gerieben – und dann aneinander gewöhnt. Sie prägen ihre Rollen und entwickeln sie weiter.
"Auserzählte" Geschichte
Beispiel München: Batic, von Miroslav Nemec verkörpert, und Leitmayr (Udo Wachtveitl) haben bereits ihr 20. Dienstjahr als Kommissare hinter sich. Sie agieren fast wie ein Ehepaar, das sich in- und auswendig kennt. Der Zuschauer spürt, dass die beiden fast perfekt harmonieren.
So viel Zeit wie den Kölnern oder den Münchnern wurde nicht allen Kollegen zugestanden. Im „Tatort“ aus Saarbrücken wurden die Darsteller Maximillian Brückner und Gregor nach nur sieben Folgen ausgemustert. Gerade, als die Drehbücher besser wurden. Beim Sender hieß es zu der Absetzung lapidar, die Geschichte der beiden sei „auserzählt“.
Die Quoten leiden bisher nicht unter der inflationären Vermehrung der Teams. Wenn am Sonntagabend „Tatort“-Zeit ist, schalten zwischen acht und zwölf Millionen Zuschauer ein. Den Spitzenwert erreicht meist das ungleiche Paar aus Münster, Kommissar Thiel (Axel Prahl) und der schrullige Pathologe Professor Boerne (Jan Josef Liefers). Zwölf Millionen: Das darf in Zeiten des Privat- und Bezahlfernsehens als Straßenfeger bezeichnet werden.
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