Eine Ausnahme: Eine Gesamtschule in Köln bietet Türkisch als zweite Fremdsprache an Foto: dpa

Arabisch als Schulsprache? Der Vorschlag des Hamburger Informatik-professors Thomas Strothotte stößt im Kultusministerium auf Skepsis: Das würde die Schulen überfordern.

Stuttgart - Gegen neue Sprachen an den Schulen hat Grün-Rot keine Vorbehalte. Vor zweieinhalb Jahren kündigten die Landtagsfraktionen an, zum Schuljahr 2015/16 könnten Modellversuche mit Türkisch an Gymnasien starten. Inzwischen gäbe es dafür sogar Lehrer – an der Universität Tübingen haben die ersten das Beifach Türkisch abgeschlossen. Doch die Schulen hielten sich bei der Bewerbung zurück. Es gebe einfach nicht genügend türkische Schüler an Gymnasien, hieß es etwa in Stuttgart.

Noch weniger Begeisterung wecken dürfte an den Schulen der Vorschlag des Informatikprofessors Thomas Strothotte, Arabisch bis zum Abitur anzubieten. „Ich bin sicher, dass das gleichzeitige Erlernen zweier Sprachen ganz neue Möglichkeiten eröffnet“, hat der Präsident der Kühne Logistics University Hamburg jetzt in der „Zeit“ erklärt. Zum einen käme das Fach Flüchtlingskindern entgegen und würde deutschen Schülern den Zugang zur arabischen Welt erleichtern, ist der gebürtige Kanadier, der seit 1985 in Deutschland lebt, überzeugt. Und: „Wir würden damit anerkennen, ein Einwanderungsland und eine mehrsprachige Gesellschaft zu sein.“

Im Kultusministerium in Stuttgart stößt der Vorstoß aus dem Norden auf Skepsis: Dass alle Schüler verpflichtend Arabisch bis zum Abitur lernten, „wäre überhaupt nicht sinnvoll und eine völlige Überforderung von Schule“, sagte ein Sprecher am Donnerstag. „Aufgrund der aktuellen Entwicklung ist es sicher richtig und notwendig, auch darüber nachzudenken, ob jungen Flüchtlingen neben dem vorrangigen Deutschunterricht zusätzlich Angebote in deren Muttersprache gemacht werden sollten.“ Diese Frage müsse aber sorgfältig geprüft werden – auch dahingehend, ob hierfür qualifizierte Lehrer gefunden werden könnten.

Nur Gymnasien bieten viele Fremdsprachen

Welche Sprachen die Schüler lernen sollen und können, ist seit langem ein Thema an den Schulen im Südwesten. Seit 2003 üben Grundschüler von Klasse eins an Englisch – oder entlang der Rheinschiene Französisch. An den Gymnasien werden neben Altgriechisch und Latein, Englisch und Französisch längst auch Italienisch, Russisch, Spanisch und sogar Chinesisch als reguläre Fächer angeboten. Türkisch lernten dort im vergangenen Schuljahr gerade einmal 71 Schüler.

An den Realschulen lernen die Schüler Englisch, knapp ein Sechstel auch Französisch. Spanisch besuchten 223, Italienisch 68Schüler. An den Haupt-/Werkrealschulen gibt es neben Englisch und etwas Französisch keine weiteren Fremdsprachen – dabei ist an dieser Schulart der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund am höchsten.

Wer also die Sprache seiner Eltern oder Großeltern erlernen will, ist auf den muttersprachlichen Unterricht angewiesen, den die jeweiligen Konsulate anbieten und größtenteils auch finanzieren. Derzeit sind das Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Italien, Kosovo, Kroatien, Makedonien, Polen, Portugal, Serbien, Slowenien, Spanien, Türkei, Tunesien und Ungarn. Rund 42 200 Schüler nutzen diese Möglichkeit. Das Land unterstützte den muttersprachlichen Unterricht 2015 mit knapp 1,1 Millionen Euro.

„Lehrerausbildung muss besser werden“

Rosemarie Tracy begrüßt, dass das Thema Mehrsprachigkeit eine größere Rolle spielt. „Das eine zu tun, heißt doch nicht, das andere zu lassen“, sagt die Mannheimer Sprachwissenschaftlerin. Sprachenlernen sei eine natürliche Fähigkeit des Menschen. Wer Latein lerne oder eine andere Sprache lerne, werde dadurch nicht am Deutschlernen gehindert. „Bei den Sprachen der Migranten hingegen befürchten viele, dass es zu großen Schäden führen muss, wenn sie diese auch noch lernen.“ Das sei ein Irrtum. „Damit Kinder mit anderen Muttersprachen gut Deutsch lernen, kommt es vor allem auf guten Deutschunterricht an. Dazu braucht es Lehrer, die wissen, wie das Erlernen von Sprachen funktioniert.“ In der Lehrerausbildung müsse das wichtiger werden. An der Universität Mannheim startet für angehende Gymnasiallehrer ein neues Programm zum Spracherwerb. Das sei nicht nur Aufgabe für Deutschlehrer, sondern für Kollegen aller Fächer, sagt Tracy. „Jeder Unterricht ist auch immer Sprachunterricht.“