Lucky Hell: Schwert am Hals, Schwerter im Hals. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Dieser Zirkus kommt ohne Tiere aus. Die Artisten sind schon wild genug: Sie fliegen unter dem Dach, schlucken Schwerter, jonglieren Bälle auf Schirmen, turnen an Laternen. „Circus, Circus“ heißt das Winterprogramm des Friedrichsbau Varietés.

Stuttgart - Beim Circus Krone unten im Neckartal reitet man auf Pferden, oben auf dem Pragsattel auf der Rasierklinge. Und das wortwörtlich. Silea tanzt nicht nur auf dem Drahtseil, die Artistin verdrückt nebenbei noch Rasierklingen. Es ist keine leichte Kost, die Hausregisseur Ralph Sun da auftischt. „Circus, Circus“, heißt das Programm, doch sollte man da keine nette, gefällige und familientaugliche Nummernrevue erwarten. Er hat sich von den Schaubuden und den Freakshows der Jahrmärkte beeinflussen lassen. Und manche Artisten lieben offensichtlich die viktorianischen Schauerromane wie Mary Shelleys „Frankenstein“ und Bram Stokers „Dracula“.

Lucky Hell trifft Frankensteins Monster

Lucky Hell hat sich gleich ein Horrorbein tätowieren lassen. Da trifft der Untote Louis (Brad Pitt) aus „Interview mit einem Vampir“ auf Frankensteins Monster. Lucky Hell hat einen seltsamen Beruf. Sie schluckt Schwerter. Wie man auf so was kommt? Nun ja, wer von Australien nach Finnland zieht, muss sich ja irgendwie die Zeit vertreiben, wenn es ein halbes Jahr lang dunkel ist. Ihr Mann Jussi Paradise brachte ihr zunächst das Feuerschlucken bei, später versuchte er sich darin, Schwerter zu schlucken. Er schaffte es nicht, seine Frau schon. Sie perfektionierte die Nummer und verband sie mit Burlesque. Während sie Schwerter schluckt, zieht sie sich aus. Am Ende schiebt sie zwei Schwerter in ihre Gurgel und man sieht viele von ihren Tätowierungen.

Ruslan Sementsov tanzt mit dem Cyr Wheel

Obenrum ganz nackt ist Ruslan Sementsov. Der kann nicht nur seinen muskulösen Oberkörper zeigen, sondern alles, wofür man Kraft und Körperbeherrschung braucht. Er hat dieses Jahr mit der Gruppe Trushin den Goldenen Clown beim Zirkusfestival in Monte Carlos gewonnen, die höchste Auszeichnung für einen Artisten. Im Friedrichsbau Varieté präsentiert er sich als Dämon, schwarz-weiß geschminkt, der tanzt und tobt mit einem Cyr Wheel, einem Reifen aus einer gebogenen Stahlröhre.

Die Französin Nanou wagt sich mitten ins Publikum. Unten im Saal baut sie ihre eigene kleine Bühne auf, eine Treppe aus wackligen Stäben. Die erklimmt sie mit den Händen und balanciert hoch über dem Boden. Die volle Höhe der Bühne kosten Tito & Du aus. Die beiden sind ebenso begabte Artisten wie Clowns, am Rande des Wahnsinns und des Absturzes hangeln sie sich unter der Decke entlang. Denis Klopov bleibt mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Er jongliert mit Bällen – und Regenschirmen. Im Dutzend beeindruckender, dieses Motto beherzigt er. Zehn Schirme hat er, zehn Bälle kreiseln darauf, und auch noch zwei Bälle auf den Fingerspitzen. Chapeau. Dann sieht man noch Olga Golubeva und eine Straßenlaterne fliegen, die Circus Follies ihren Mix aus Jonglage, Artistik und Comedy vorführen, und immer wieder Weißclown Merlin. Er will eine Unsichtbare zum Tanz verführen, und zaubert dann doch noch ein Tier auf die Bühne – ein Zebra. Doch Vorsicht, nicht alles ist, wie es scheint im „Circus, Circus“.

„Circus, Circus“ vom 3. November bis 18. Februar im Friedrichsbau Varieté, Siemensstraße 15. Vorstellungen Mittwoch bis Samstag, 20 Uhr. Sonntags 18 Uhr. Karten zwischen 33 und 58 Euro, reduziert 19 Euro. Tel. 07 11 / 2 25 70 70, E-Mail:tickets@friedrichsbau.de.