Manche Biker manipulieren ihren Auspuff für einen satteren Sound Foto: dpa

Mit Infografik - Es sieht aus wie ein normaler Leitpfosten am Straßenrand. Aber das neue Messgerät des Landes hat es in sich – und soll im Kampf gegen Motorradlärm helfen.

Stuttgart/Löwenstein - Im Kampf gegen allzu großen Motorradlärm haben Verkehrsstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) und Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Mittwoch demonstrativ einen Horchposten errichtet: An der Bundesstraße 39 in der Nähe von Löwenstein (Kreis Heilbronn) testeten sie gemeinsam mit der Polizei ein neues Messgerät, das man als Horchposten bezeichnen könnte. Der bundesweit einmalige Prototyp sieht aus wie ein normaler Leitpfosten, kann aber dank eingebauter Technik vom Straßenrand aus die Lautstärke vorbeifahrender Fahrzeuge messen.

Horchpfosten

Das Ganze funktioniert wie eine akustische Radarfalle: Misst der Pfosten bei einem vorbeifahrenden Motorrad eine verdächtig hohe Lautstärke, hält die dahinter postierte Polizei den Fahrer an. Im Unterschied zu Tempokontrollen kann sie allerdings kein Bußgeld verhängen, nur weil das Motorrad Lärm-Grenzwerte überschritten hat. Nur wenn die Beamten dem Fahrer auch eine entsprechende Manipulation an seinem Motorrad nachweisen können, wird es teuer: Bei einer nachweisbar absichtlichen Manipulation der Schalldämpfer erlischt die Betriebserlaubnis und 90 Euro werden fällig. War das Motorrad bloß aufgrund eines Defekts zu laut, muss der Fahrer laut dem aktuellen Bußgeldkatalog nur 20 Euro bezahlen.

Einen großen Fortschritt bringt das neue Messgerät im Kampf gegen den Motorradlärm nicht. Schon heute überprüfen spezielle Polizei-Einheiten Motorräder auf entsprechende Manipulationen. Der Prototyp könnte ihnen zwar die Arbeit etwas erleichtern, wird aber erstmal getestet. Sollte er sich bewähren, könnte er allerdings sehr hilfreich werden. Wenn tausende dieser Horch-Pfosten an den verschiedenen Motorrad-Strecken im Land aufgestellt würden, gewänne das Land erstmals eine Übersicht über die tatsächliche Lärmbelastung an diesen Straßen. Dann ließen sich zum Beispiel auch gezielter Tempolimits verhängen. Doch das ist noch Zukunftsmusik, und auch die Kosten für eine solche Maßnahme sind noch völlig unklar. Bislang hat das Land rund 5000 Leitpfosten im Einsatz, die vorbeifahrende Fahrzeuge zählen können. Hören kann bislang nur der Prototyp.

Das Land will mit dem Messgerät auch feststellen und aufzeigen, wie laut Motorräder in der Praxis tatsächlich sind. Bislang wird der Lärm vor der Zulassung einer Maschine nur unter Laborbedingungen getestet. Alle Bemühungen des Landes, auf europäischer Ebene eine Verschärfung der Genehmigung zu erreichen, sind bislang laut Verkehrsministerium gescheitert.

Mit verstärkten Kontrollen versucht das Land auch einem Problem Herr zu werden, das dieses Jahr besonders akut ist: Die Zahl der tödlichen Motorrad-Unfälle hat sich gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt. Allein im Juli starben 12 weitere Motorradfahrer, so dass sich die Zahl der Opfer in diesem Jahr auf insgesamt 72 erhöhte. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr waren 85 Motorrad-Tote zu beklagen.

Die mit Abstand häufigste Unfallursache ist bei Bikern zu hohe Geschwindigkeit, gefolgt von zu geringem Abstand und Fehlern beim Überholen. In rund 78 Prozent der Fälle haben die Motorradfahrer im Land den tödlichen Unfall selbst verursacht.