Von September an sollen an der Robert-Koch-Straße 15 bis 18 junge Flüchtlinge eine neue Heimat findet. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Ein Hort an der Robert-Koch-Straße wird zum Heim für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge umgebaut. Im Bezirk gibt es bereits ein weiteres Heim und eine Clearing-Stelle.

Vaihingen - Die Elternabende wurden kurzfristig einberufen. Den Vätern und Müttern, deren Kinder in dem Hort an der Robert-Koch-Straße betreut werden, wurde gesagt, dass die Räume anderweitig gebraucht werden. Denn immer mehr Flüchtlingskinder landen in Stuttgart, und sie brauchen Platz. So muss der Schülerhort umziehen – und zwar in ein rund 300 Meter entfernt liegendes Gebäude an der Emilienstraße. Das sei vertretbar, meint Heinrich Korn, der stellvertretende Leiter des Jugendamts. Das Gebäude an der Robert-Koch-Straße stehe seit Längerem zu zwei Dritteln leer.

„Wir werden dieses Gebäude künftig für die Notaufnahme von Flüchtlingskindern nutzen“, sagt Korn. Denn nicht nur die Zahlen erwachsener Asylbewerber steigen ständig, sondern auch die derjenigen, die noch nicht 18 Jahre alt sind. 2014 strandeten 260 Jugendliche ohne Eltern oder Verwandte in Stuttgart, und in diesem Jahr sind es bereits 279. Die Prognosen gehen von 450 für 2015 aus. Aber bisher wurde noch jede Prognose von der Wirklichkeit überholt.

Der Eltern-Kind-Treff Müze hat das Nachsehen

Das Heim an der Robert-Koch-Straße soll Platz für 15 bis 18 Kinder und Jugendliche bieten, „vielleicht auch 20, aber auf keinen Fall mehr“, sagt Korn. Weil die Zeit drängt, werde die Einrichtung wohl schon in wenigen Wochen eröffnen. „Im Laufe des August wird der Hort umziehen. Dann geht es sehr, sehr schnell. Es werden nur die Betten aufgestellt. Baulich muss nichts gemacht werden.“

Damit hat der Eltern-Kind-Treff Müze das Nachsehen. Die Einrichtung, die derzeit an der Ernst-Kachel-Straße untergebracht ist, leidet ebenfalls unter Platznot. Bei der Suche nach einer Alternative stieß das Familienzentrum auf das Hortgebäude und unterhielt auch von politischer Seite Unterstützung – letztlich vergeblich

„Von den aktuellen Plänen der Stadt haben wir erst kürzlich erfahren“, sagt die Geschäftsführerin Stefanie Schönleber. Man habe sich in der Vergangenheit aber schon immer für Flüchtlinge eingesetzt. Und obwohl die Suche nun von vorne beginnt, will sie sich deshalb nicht kritisch äußern. „Wir wollen nicht, dass diese beiden Themen – Unterbringung der Flüchtlinge versus Pläne der Müze – gegeneinander stehen.“

Die jungen Leute werden an der Robert-Koch-Straße übrigens 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche pädagogisch betreut. Das Gesetz unterscheidet nämlich bei Minderjährigen nicht zwischen Deutschen und Ausländern. Es geht um die Grundversorgung, um Bildung, um Wohnraum. „Das gehört bei uns zum Alltag“, sagt der Mann vom Jugendamt. Schließlich landen auch immer wieder deutsche Jugendliche auf der Straße. „Was nicht zu unserem Alltag gehört, sind die unglaublich hohen Zahlen.“

Neben zwei Heimen gibt es eine Clearing-Stelle in Vaihingen

Die Einrichtung an der Robert-Koch-Straße wird die zweite im Bezirk sein. Erst kürzlich hat die Stadt das frühere Hotel Gambrinus an der Möhringer Landstraße für diese Zwecke gemietet. Seit Februar leben dort 28 junge Menschen. „Das haben wir auch praktisch über Nacht in Betrieb genommen“, sagt Korn. Inzwischen hätten sich dort Patenschaften gebildet, und Spenden würden eingehen. Unter anderem habe das Fanny-Leicht-Gymnasium Badezeug für Schwimmbadbesuche gesammelt.

Und noch eine weitere in dieser Hinsicht bedeutende Einrichtung befindet sich in Vaihingen. An der Kupferstraße ist nämlich die sogenannte Clearing-Stelle. Es ist die erste Anlaufstation für junge Flüchtlinge, die nach Stuttgart gebracht werden. Und dort wird festgestellt, ob sie überhaupt minderjährig sind. Ein sechsköpfiges Gremium entscheidet nach einer detaillierten Befragung unter anderem zur Verwandtschaft und zur Flucht über das Alter. „60 Prozent schätzen wir als minderjährig ein, und das ist gerichtsfest“, sagt Korn. Das Prozedere dauert wenige Tage, und danach geht es für sie zum Beispiel ins Hotel Gambrinus. Wer als Erwachsener eingestuft wird, durchläuft das normale Asylverfahren – und zieht dann in eines der Flüchtlingsheime, die derzeit in Stuttgart wie Pilze aus dem Boden schießen.

Die Jugendlichen werden nicht dauerhaft an der Robert-Koch-Straße bleiben. „Sie sollen so schnell wie möglich wie ganz normale Jugendliche integriert werden“, sagt Korn. Idealerweise nach drei bis sechs Monaten werden sie eine Pflegefamilie gefunden haben oder bekommen einen Platz im betreuten Jugendwohnen.