Aus der Geschichte lernen: Jugendliche haben sich mit dem Thema Euthanasie im Nationalsozialismus beschäftigt und eine Ausstellung geschaffen. Foto: Torsten Ströbele

Morde, Qualen, Gräueltaten: Schüler des Neuen Gymnasiums haben an die Opfer des Nazi-Regimes in Grafeneck erinnert.

Stuttgart-Feuerbach - Die Gräueltaten des Nazi-Regimes sind mittlerweile vor mehr als 70 Jahren geschehen. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die ihren Enkeln über das schwärzeste Kapitel der deutschen Geschichte berichten können. Die furchtbaren Taten sollen aber nicht in Vergessenheit geraten. Auch die folgenden Generationen sollen sich daran erinnern, damit so etwas in Deutschland nicht mehr passiert.

Doch wie ist das zu schaffen? Beispielsweise erinnert das Projekt Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig an die Opfer des Nationalsozialismus. Und auch am Volkstrauertag wird auf vielen Friedhöfen und an zahlreichen Mahnmalen den Menschen gedacht, die im Krieg ihr Leben gelassen haben. Doch kennen die heutigen Jugendlichen solche Projekte und Anlässe überhaupt? In den neunten Klassen des Neuen Gymnasiums in Feuerbach hat so gut wie niemand etwas von Stolpersteinen oder dem Volkstrauertag gehört. Allerdings haben sich die Mädchen und Buben erst jüngst intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt – im Rahmen des Geschichtsunterrichts und des Projekts „Gegen das Vergessen – aus der Geschichte lernen“.

Letzteres stand kürzlich bei einer Veranstaltung der Stadt Stuttgart und des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Stuttgart im Haus der Katholischen Kirche im Mittelpunkt. Auch die Neuntklässler aus Feuerbach waren beteiligt. Sie haben das Programm an diesem Abend mit einer historisch-skulpturalen Ausstellung begleitet, die „unter Einbeziehung der historischen Fakten mit großer Motivation und viel Engagement zusammengestellt wurde“, heißt es bei der Stadt.

Die Ausstellung ist am 1. April noch einmal zu sehen

Vor allem haben sich die Jugendlichen mit dem Thema Euthanasie in Grafeneck auseinandergesetzt. „Wir hatten im Unterricht schon über die NS-Zeit gesprochen, aber weniger über Grafeneck und was dort passiert ist“, sagt ein Schüler im Rahmen der Nachbesprechung des Projekts. „Wir waren geschockt, wie grausam, herzlos und kaltblütig Menschen sein können.“ Im Rahmen der Recherchen für dieses Projekt habe man „viel mehr Einblick in die Verbrechen in Grafeneck erhalten“. Es sei furchtbar gewesen, dass Menschen als lebensunwert abgestempelt und ermordet wurden. Das seien keine Einzelschicksale gewesen. Das habe man durch die vielen Briefe von Angehörigen und Opfern aus der damaligen Zeit erfahren. „Menschen mit Behinderung sind nicht schlechter als andere“, waren sich die Neuntklässler einig. Es sei wichtig, das auch selbst festzustellen. Einige der Mädchen und Buben schilderten ihre Erfahrungen, die sie während eine Sozialpraktikums gemacht haben. „Nach zwei Tagen in der Kreativwerkstatt des Behindertenzentrums Stuttgart habe ich gar nicht mehr gemerkt, dass die Menschen eine Behinderung haben“, betont eine Schülerin. Ähnliches konnte auch ihr Klassenkamerad berichten, dessen Mutter in der Nikolauspflege arbeitet: „Manchen Blinden merkt man gar nicht an, dass sie nichts sehen.“

Die Ergebnisse ihrer Recherchen haben die Neuntklässler zum einen in einer Ausstellung festgehalten, die bei der Feuerbacher Kulturnacht am 1. April noch einmal zu sehen sein werden und zum anderen in schriftlicher Form. Aber auch über die Eindrücke der Veranstaltung im Haus der Katholischen Kirche haben sie geschrieben. Das Handwerkszeug für ihre Arbeiten haben sie dabei im Rahmen des Projekts Zeitung in der Schule der Stuttgarter Zeitung und Nachrichten verfeinert.